Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Rußlands „Befreiungs“-Politik. 269 
populär gemachten Ypsilanti'schen Aufstandes, des durch die Fa- 
narioten vermittelten Ausläufers gräcisirender Orientpolitik, noch die 
einheitliche Zustimmung der verschiedenen russischen Strömungen 
hatten, die von Araktschejew bis zu den Decabristen durch einander 
liefen, ist gleichgültig, jedenfalls aber waren die Erstlinge der russi- 
schen Befreiungspolitik, die Griechen, eine, freilich noch nicht durch- 
schlagende, Enttäuschung für Rußland. Die griechische Befreiungs- 
politik hört mit und seit Navarin auch in den Augen der Russen 
aus, eine russische Specialität zu sein. Es hat lange gedauert, ehe 
das russische Cabinet aus diesem kritischen Ergebniß die Consequenzen 
zog. Die rudis indigestaqgue moles Rußland wiegt zu schwer, um 
für jede Wahrnehmung des politischen Instincts leicht lenksam zu 
sein. Man fuhr fort zu befreien und machte mit den Rumänen, 
Serben, Bulgaren dieselbe Erfahrung wie mit den Griechen. Alle 
diese Stämme haben Rußlands Hülfe zur Befreiung von den 
Türken bereitwillig angenommen, aber, nachdem sie frei geworden, 
keine Neigung gezeigt, den Zaren zum Nachfolger des Sultans 
anzunehmen. Ich weiß nicht, ob man in Petersburg die Ueber- 
zeugung theilt, daß auch der „einzige Freund“ des Zaren, der 
Fürst von Montenegro, was bei seiner entfernten und isolirten 
Situation auch einigermaßen entschuldbar ist, nur so lange die 
russische Flagge hissen wird, als er Aequivalente an Geld oder 
Macht dafür erwartet; aber es kann in Petersburg nicht unbekannt 
sein, daß der Vladika bereit war, und vielleicht noch bereit ist, als 
großherrlich türkischer Connetable an die Spitze der Balkanvölker 
zu treten, wenn dieser Gedanke bei der Pforte eine hinreichend 
günstige Aufnahme und Unterstützung fände, um für Montenegro 
nützlich werden zu können. 
Wenn man in Petersburg aus den bisherigen Mißgriffen die 
Folgerungen ziehn und praktisch machen will, so wäre es natür- 
lich, sich auf die weniger phantastischen Fortschritte zu beschränken, 
die durch das Gewicht der Regimenter und Kanonen zu erreichen 
sind. Der geschichtlich poetischen Seite, die der Kaiserin Katharina
	        
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