Zweiunddreißigstes Kapitel.
Kaiser Wilhelm I.
I.
Um die Mitte der siebziger Jahre begann die geistige Em-
pfänglichkeit des Kaisers im Auffassen andrer und Entwickeln eigner
Vorträge schwerfälliger zu functioniren; er verlor zuweilen den
Faden im Zuhören und Sprechen. Merkwürdigerweise trat darin
nach dem Nobilingschen Attentate eine günstige Veränderung ein.
Momente wie die beschriebenen kamen nicht mehr vor, der Kaiser
war freier, lebendiger, auch weicher. Der Ausdruck meiner Freüde
über sein Wohlbefinden veranlaßte ihn zu dem Scherze: „Nobiling
hat besser als die Aerzte gewußt, was mir fehlte: ein tüchtiger Ader-
laß.“ Die letzte Krankheit war kurz, sie begann am 4. März 1888.
Am 8. Mittags hatte ich die letzte Unterredung mit dem Kaiser, in
der er noch bei Bewußtsein war. und erlangte von ihm die Ermächti-
gung zur Veröffentlichung der schon am 17. November 1887 voll-
zogenen Ordre, die den Prinzen Wilhelm mit der Stellvertretung
beauftragte in Fällen, wo Se. Moajestät einer solchen zu bedürfen
glauben würde. Der Kaiser sagte, er erwarte von mir, daß ich in
meiner Stellung verbleiben und seinen Nachfolgern zur Seite stehn
würde, wobei ihm zunächst die Besorgniß vorzuschweben schien, daß ich
mich mit dem Kaiser Friedrich nicht würde stellen können. Ich sprach
mich beruhigend darüber aus, so weit es überhaupt angebracht schien,
einem Sterbenden gegenüber von dem zu sprechen, was seine Nach-