Letzte Krankheit und Tod Wilhelms I. 277.
folger und ich selbst nach seinem Tode thun würden. Dann, an
die Krankheit seines Sohnes denkend, verlangte er von mir das
Versprechen, meine Erfahrung seinem Enkel zu Gute kommen zu
lassen und ihm zur Seite zu bleiben, wenn er, wie es schiene, bald
zur. Regirung gelangen sollte. Ich gab meiner Bereitwilligkeit
Ausdruck, seinen Nachfolgern mit demselben Eifer zu dienen wie
ihm selbst. Seine einzige Antwort darauf war ein etwas fühl-
barerer Druck seiner Hand; dann aber traten Fieberphantasien ein,
in denen die Beschäftigung mit dem Enkel so im Vordergrunde
stand, daß er glaubte, der Prinz, der im September 1886 dem
Zaren in Brest-Litowsk einen Besuch gemacht hatte, säße an meiner
Stelle neben dem Bette, und mich plötzlich mit Du anredend sagte:
„Mit dem russischen Kaiser mußt du immer Fühlung halten, da
ist kein Streit nothwendig.“ Nach einer langen Pause des Schwei-
gens war die Sinnestäuschung verschwunden; er entließ mich mit
den Worten: „Ich sehe Sie noch.“ Gesehn hat er mich noch, als
ich mich am Nachmittage und dann wieder in der Nacht des 9. um
4 Uhr einfand, aber schwerlich unter den vielen Anwesenden erkannt;
noch in später Abendstunde des 8. fand eine Rückkehr der vollen
Klarheit des Bewußtseins und der Fähigkeit statt, sich den sein
Sterbebett in dem engen Schlafzimmer Umstehenden gegenüber
klar und zusammenhängend auszusprechen. Es war das letzte
Aufleuchten dieses starken und tapfern Geistes. Um 8 Uhr 30 Mi-
nuten that er den letzten Athemzug.
II.
Für die Thronfolge war unter Friedrich Wilhelm III. nur
der Kronprinz mit Bewußtsein vorgebildet worden, der zweite Sohn
dagegen ausschließlich militärisch. Es war natürlich, daß durch
sein ganzes Leben militärische Einflüsse an und für sich stärker auf