Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

284 Zweiunddreißigstes Kapitel: Kaiser Wilhelm J. 
der Privatcorrespondenz angeknüpft hatte, um eine förmliche diplo- 
matische Berichterstattung in seiner Hand zu concentriren. Ich er- 
hielt die Beweise dafür durch den Zufall, daß einige dieser Berichte, 
aus deren Fassung die Thatsache der Continuität der Berichterstattung 
ersichtlich war, durch Mißverständniß der Feldjäger oder der Post 
an mich gelangten und amtlichen Berichten so genau ähnlich sahn, 
daß ich erst durch einzelne Bezugnahmen im Texte stutzig wurde, 
mir das dazu gehörige Couvert aus dem Papierkorb suchte und 
darauf die Adresse des Herrn von Schleinitz vorfand. Zu den Be- 
amten, mit denen er solche Verbindungen unterhielt, gehörte unter 
Andern ein Consul, über den mir Roon unter dem 25. Januar 1864 
schrieb, derselbe stehe im Solde von Drouyn de L'Huys und schreibe 
unter dem Namen Siegfeld Artikel für das „Mémorial Diplo- 
matique"“, die u. A. der Occupation der Rheinlande durch Na- 
poleon das Wort redeten und sie in Parallele stellten mit unsrer 
Occupation Schleswigs. Zur Zeit der „Reichsglocke“ und der ge- 
hässigen Angriffe der conservativen Partei und der „Kreuz- 
zeitung“ auf mich konnte ich ermitteln, daß die Colportage der 
„Reichsglocke“ und ähnlicher verleumderischer Preßerzeugnisse im 
Bureau des Hausministeriums besorgt wurde. Der Vermittler war ein 
höherer Subalternbeamter Namens Bernhard (5), der der Frau von 
Schleinitz die Federn schnitt und den Schreibtisch in Ordnung hielt. 
Durch ihn wurden allein an unfre höchsten Herrschaften dreizehn 
Exemplare der „Reichsglocke“, davon zwei in das Kaiserliche Palais, 
berichtmäßig eingesandt und andre an mehre verwandte Höfe. 
Als ich einmal den geärgerten und darüber erkrankten Kaiser 
des Morgens aufsuchen mußte, um über eine höfische Demonstration 
zu Gunsten des Centrums eine unter den obwaltenden Umständen 
dringliche Beschwerde zu führen, fand ich ihn im Bette und 
neben ihm die Kaiserin in einer Toilette, die darauf schließen 
ließ, daß sie erst auf meine Anmeldung herunter gekommen war. 
Auf meine Bitte, mit dem Kaiser allein sprechen zu dürfen, ent- 
fernte sie sich, aber nur bis zu einem dicht außerhalb der, von ihr
	        
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