286 Zweiunddreißigstes Kapitel: Kaiser Wilhelm J.
gewonnenen Erfolg zu befestigen durch Aeußerung von Zwei-
feln, ob der Kaiser im Stande sein werde, die geäußerte Absicht
oder Meinung „Biemarck gegenüber“ aufrecht zu erhalten. Wenn
Se. Majestät nicht auf Grund eigner Ueberzeugung, sondern
weiblicher Bearbeitung widerstand, so konnte ich dies daran
erkennen, daß seine Argumente unsachlich und unlogisch waren.
Dann endete eine solche Erörterung, wenn ein Gegenargument
nicht mehr zu finden war, wohl mit der Wendung: „Ei der
Tausend, da muß ich doch sehr bitten.“ Ich wußte dann, daß
ich nicht den Kaiser, sondern die Gemalin mir gegenüber ge-
habt hatte.
Alle Gegner, die ich mir in den verschiedensten Regionen im
Laufe meiner politischen Kämpfe nothwendiger Weise und im Interesse
des Dienstes zugezogen hatte, fanden in ihrem gemeinsamen Hasse
gegen mich ein Band, das einstweilen stärker war, als ihre gegen-
seitigen Abneigungen gegen einander. Sie vertagten ihre Feind-
schaft, um einstweilen der stärkern gegen mich zu dienen. Den
Krystallisationspunkt für diese Uebereinstimmung bildete die Kaiserin
Augusta, deren Temperament, wenn es galt ihren Willen durch-
zusetzen, auch in der Rücksicht auf Alter und Gesundheit des Ge-
mals nicht immer Grenze fand.
Der Kaiser hatte während der Belagerung von Paris, wie
häufig vorher und nachher, unter dem Kampfe zwischen seinem
Verstande und seinem königlichen Pflichtgefühl einerseits und dem
Bedürfniß nach häuslichem Frieden und weiblicher Zustimmung zur
Politik andrerseits zu leiden. Die ritterlichen Empfindungen, die ihn
gegenüber seiner Gemalin, die mystischen, die ihn der gekrönten
Königin gegenüber bewegten, seine Empfindlichkeit für Störungen
seiner Hausordnung und seiner täglichen Gewohnheiten haben mir
Hindernisse bereitet, die zuweilen schwerer zu überwinden waren
als die von fremden Mächten oder feindlichen Parteien verursachten,
und vermöge der herzlichen Anhänglichkeit, die ich für die Person
des Kaisers hatte, die aufreibende Wirkung der Kämpfe erheblich