Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Opposition der Kaiserin. Wilhelms I. königliche Vornehmheit. 287 
gesteigert, die ich bei pflichtmäßigem Vertreten meiner Ueberzeugung 
in den Vorträgen durchzumachen hatte. 
Der Kaiser hatte das Gefühl davon und machte in den letzten 
Jahren seines Lebens mir gegenüber kein Geheimniß aus seinen 
häuslichen Beziehungen, berieth mit mir, welche Wege und Formen 
zu wählen seien, um seinen häuslichen Frieden ohne Schädigung 
der Staatsinteressen zu schonen; „der Feuerkopf“ pflegte der hohe 
Herr in vertraulichen, aus Verdruß, Respect und Wohlwollen ge— 
mischten Stimmungen die Gemalin zu bezeichnen und diesen Aus- 
druck mit einer Handbewegung zu begleiten, die etwa sagen 
wollte: „Ich kann nichts ändern“. Ich fand diese Bezeichnung 
außerordentlich treffend; die Königin war, so lange nicht physische 
Gefahren drohten, eine muthige Frau, getragen von einem hohen 
Pflichtgefühl, aber auf Grund ihres königlichen Empfindens ab- 
geneigt, andre Autoritäten als die ihrige gewähren zu lassen. 
V. 
Das Schwergewicht, das nach dem Antritt der Regent- 
schaft der Wille und die Ueberzeugung des Prinzen von Preußen 
und spätern Kaisers auf dem außermilitärischen, dem politischen 
Gebiete darstellte, war das eigenste Product der mächtigen und 
vornehmen Natur, die diesem Fürsten, unabhängig von der ihm 
zu Theil gewordenen Erziehung, angeboren war. Der Ausdruch 
„königlich vornehm“ ist prägnant für seine Erscheinung. Die Eitel- 
keit kann bei Monarchen ein Sporn zu Thaten und zur Arbeit 
für das Glück ihrer Unterthanen sein. Friedrich der Große war 
nicht frei davon; sein erster Thatendrang entsprang dem Verlangen 
nach historischem Ruhm; ob diese Triebfeder gegen das Ende seiner 
Regirung, wie man sagt, degenerirte, ob er dem Wunsche innerlich 
Gehör gab, daß die Nachwelt den Unterschied zwischen seiner und 
der folgenden Regirung merken möge, lasse ich unerörtert. Eine
	        
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