Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Bedeutung des Nordostsee-Canals. Helgoland. 31 
her weiß, so ist der letztre genöthigt, in jedem der beiden Meere 
ein unsrer ganzen Flotte äquivalentes Geschwader zu unterhalten. 
Aus diesen und andern Gründen war ich der Meinung, daß die 
Herstellung des Canals unsrer Küstenvertheidigung nützlicher sein 
würde, als die Verwendung der Canalkosten auf Festungsbau und 
Mehranschaffung von Schiffen, für deren Bemannung wir nicht 
über unbegrenzte Kräfte verfügen. Mein Wunsch war, den Canal 
von der Niederelbe in westlicher Richtung so weit fortzusetzen, daß 
die Wesermündung, die Jahde und eventuell auch die Emsmündung 
zu Ausfallpforten, welche der blockirende Feind zu beobachten hätte, 
hergerichtet würden. Die westliche Fortsetzung des Canals wäre 
verhältnißmäßig weniger kostspielig, als die Durchschneidung des 
holsteinischen Landrückens, da sich Linien von gleichmäßigem Niveau 
darbieten, auch zur Umgehung der hohen Geest an der Landspitze 
zwischen der Weser und der Elbemündung. 
Im Hinblick auf eine, voraussichtlich französische, Blockade war 
bisher die Deckung Helgolands durch die englische Neutralität für 
uns nützlich; ein französisches Geschwader konnte daselbst kein 
Kohlendepot haben, sondern war genöthigt, zur Beschaffung des 
Kohlenbedarfs in bestimmten, nicht zu langen Zeiträumen nach 
französischen Häfen zurückzukehren oder eine große Anzahl von 
Frachtschiffen hin- und hergehn zu lassen. Jetzt haben wir den 
Felsen mit eigner Kraft zu vertheidigen, wenn wir verhindern 
wollen, daß die Franzosen im Falle des Krieges sich daselbst fest- 
setzen. Welche Gründe um das Jahr 1885 den Widerstand der 
Landesvertheidigungs-Commission abgeschwächt haben, weiß ich nicht; 
vielleicht hatte Graf Moltke sich inzwischen überzeugt, daß der 
Gedanke eines deutsch-dänischen Bündnisses, mit dem er sich früher 
getragen hatte, unausführbar sei.
	        
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