Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Die Digression nach Preßburg. Diplomatische Erwägungen. 37 
Karte reichen und sprach sich zu Gunsten dieses Vorschlags aus; 
die Ausführung wurde, wie mir schien widerstrebend, in Angriff 
genommen, aber sie geschah. 
Nach dem Generalstabswerke, S. 522, erging erst unter dem 
19. Juli folgender Erlaß des Großen Hauptaquartiers: 
„Es ist die Absicht Sr. Majestät des Königs, die Armee in einer 
Stellung hinter dem Rußbach zu concentriren. — In dieser Stellung 
soll die Armee zunächst in der Lage sein, einem Angriff entgegen 
zu treten, welchen der Feind mit etwa 150 000 Mann von Florids- 
dorf aus zu unternehmen vermöchte; demnächst soll sie aus der- 
selben entweder die Floridsdorfer Verschanzungen recognosciren und 
angreifen, oder aber, unter Zurücklassung eines Observationscorps 
gegen Wien, möglichst schnell nach Preßburg abmarschiren können. 
— Beide Armeen schieben ihre Vortruppen und Recognoscirungen 
an den Rußbach in der Richtung auf Wolkersdorf und Deutsch- 
Wagram vor. Gleichzeitig mit diesem Vorrücken soll der Versuch 
gemacht werden, Preßburg durch überraschenden Angriff zu nehmen 
und den eventuellen Donauübergang daselbst zu sichern.“ 
Mir kam es für unfsre spätern Beziehungen zu Oestreich 
darauf an, kränkende Erinnerungen nach Möglichkeit zu verhüten, 
wenn es sich ohne Beeinträchtigung unfrer deutschen Politik thun 
ließ. Der siegreiche Einzug des preußischen Heeres in die feind- 
liche Hauptstadt wäre für unfre Militärs natürlich eine be- 
friedigende Erinnerung gewesen, für unfre Politik war er kein 
Bedürfniß; in dem östreichischen Selbstgefühl hätte er gleich jeder 
Abtretung alten Besitzes an uns eine Verletzung hinterlassen, 
die, ohne für uns ein zwingendes Bedürfniß zu sein, die 
Schwierigkeit unsrer künftigen gegenseitigen Beziehungen unnöthig 
gesteigert haben würde. Es war mir schon damals nicht zweifel- 
haft, daß wir die Errungenschaften des Feldzugs in fernern Kriegen 
zu vertheidigen haben würden, wie Friedrich der Große die Er- 
gebnisse seiner beiden ersten schlesischen Kriege in dem schärfern 
Feuer des siebenjährigen. Daß ein französischer Krieg auf den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.