Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

König Wilhelms Widerspruch und sein Nachgeben. 47 
schen Erfolge und seiner Neigung, den Siegeslauf fortzusetzen, meiner 
Ueberzeugung gemäß leisten mußte, führte eine so lebhafte Erregung 
des Königs herbei, daß eine Verlängerung der Erörterung unmög— 
lich war und ich mit dem Eindruck, meine Auffassung sei abgelehnt, 
das Zimmer verließ mit dem Gedanken, den König zu bitten, daß 
er mir erlauben möge, in meiner Eigenschaft als Offizier in mein 
Regiment einzutreten. In mein Zimmer zurückgekehrt, war ich in 
der Stimmung, daß mir der Gedanke nahe trat, ob es nicht besser 
sei, aus dem offenstehenden, vier Stock hohen Fenster zu fallen, 
und ich sah mich nicht um, als ich die Thür öffnen hörte, obwohl ich 
vermuthete, daß der Eintretende der Kronprinz sei, an dessen Zim— 
mer ich auf dem Corridor vorübergegangen war. Ich fühlte seine 
Hand auf meiner Schulter, während er sagte: „Sie wissen, daß 
ich gegen den Krieg gewesen bin, Sie haben ihn für nothwendig 
gehalten und tragen die Verantwortlichkeit dafür. Wenn Sie 
nun überzeugt sind, daß der Zweck erreicht ist und jetzt Friede 
geschlossen werden muß, so bin ich bereit, Ihnen beizustehn und 
Ihre Meinung bei meinem Vater zu vertreten.“ Er begab sich 
dann zum Könige, kam nach einer kleinen halben Stunde zurück in 
derselben ruhigen und freundlichen Stimmung, aber mit den Worten: 
„Es hat sehr schwer gehalten, aber mein Vater hat zugestimmt.“ 
Diese Zustimmung hatte ihren Ausdruck gefunden in einem mit 
Bleistift an den Rand einer meiner letzten Eingaben geschriebenen 
Marginale ungefähr des Inhalts: „Nachdem mein Ministerpräsident 
mich vor dem Feinde im Stiche läßt und ich hier außer Stande 
bin, ihn zu ersetzen, habe ich die Frage mit meinem Sohne erörtert, 
und da sich derselbe der Auffassung des Ministerpräsidenten an- 
geschlossen hat, sehe ich mich zu meinem Schmerze gezwungen, nach 
so glänzenden Siegen der Armee in diesen sauren Apfel zu 
beißen und einen so schmachvollen Frieden anzunehmen.“ — Ich 
glaube mich nicht im Wortlaut zu irren, obschon mir das Acten- 
stück gegenwärtig nicht zugänglich ist; der Sinn war jedenfalls 
der angegebene und mir damals trotz der Schärfe der Ausdrücke
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.