Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

58 Einundzwanzigstes Kapitel: Der Norddeutsche Bund. 
erhalten wollte, und ohne ihn und sein Vertrauen war mein Weg 
in deutscher Politik überhaupt nicht gangbar. 
III. 
Im Hinblick auf die Nothwendigkeit, im Kampfe gegen eine 
Uebermacht des Auslandes im äußersten Nothfall auch zu revo— 
lutionären Mitteln greifen zu können, hatte ich auch kein Bedenken 
getragen, die damals stärkste der freiheitlichen Künste, das all- 
gemeine Wahlrecht, schon durch die Circulardepesche vom 10. Juni 
1866 mit in die Pfanne zu werfen, um das monarchische Ausland 
abzuschrecken von Versuchen, die Finger in unsre nationale omelette 
zu stecken. Ich habe nie gezweifelt, daß das deutsche Volk, sobald 
es einsieht, daß das bestehende Wahlrecht eine schädliche Institution 
sei, stark und klug genug sein werde, sich davon frei zu machen. 
Kann es das nicht, so ist meine Redensart, daß es reiten könne, 
wenn es erst im Sattel säße 1), ein Irrthum gewesen. Die Annahme 
des allgemeinen Wahlrechts war eine Waffe im Kampfe gegen Oest- 
reich und weitres Ausland, im Kampfe für die deutsche Einheit, zugleich 
eine Drohung mit letzten Mitteln im Kampfe gegen Coalitionen. In 
einem Kampfe derart, wenn er auf Tod und Leben geht, sieht man 
die Waffen, zu denen man greift, und die Werthe, die man durch 
ihre Benutzung zerstört, nicht an: der einzige Rathgeber ist zunächst 
der Erfolg des Kampfes, die Rettung der Unabhängigkeit nach 
Außen; die Liquidation und Aufbesserung der dadurch angerichteten 
Schäden hat nach dem Frieden stattzufinden. Außerdem halte ich 
noch heut das allgemeine Wahlrecht nicht blos theoretisch, sondern 
auch praktisch für ein berechtigtes Prinzip, sobald nur die Heimlich- 
keit beseitigt wird, die außerdem einen Charakter hat, der mit den 
besten Eigenschaften des germanischen Blutes in Widerspruch steht. 
1) Rede vom 11. März 1867, Politische Reden III 184.
	        
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