Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Presse und Parlament als Corrective der Monarchie. 61 
schädlich werden soll, bedarf der Kritik, an deren Stacheln er sich 
zurechtfindet, wenn er den Weg zu verlieren Gefahr läuft. Joseph II. 
ist ein warnendes Beispiel. 
Die Kritik kann nur geübt werden durch eine freie Presse 
und durch Parlamente im modernen Sinne. Beide Corrective 
können ihre Wirkung durch Mißbrauch abstumpfen und schließlich 
verlieren. Dies zu verhüten, ist eine der Aufgaben erhaltender 
Politik, die sich ohne Bekämpfung von Parlament und Presse nicht 
lösen läßt. Das Abmessen der Schranken, die in diesem Kampfe 
innegehalten werden müssen, um die dem Lande unentbehrliche 
Controlle der Regirung weder zu hindern, noch zur Herrschaft 
werden zu lassen, ist eine Sache des politischen Tactes und 
Augenmaßes. 
Wenn ein Monarch dafür das hinreichende Augenmaß besitzt, 
so ist das ein Glück für sein Land, freilich ein vergängliches, wie 
alles menschliche Glück. Die Möglichkeit, Minister an's Ruder zu 
bringen, welche die entsprechenden Eigenschaften besitzen, muß in 
dem Verfassungsleben gegeben werden, aber auch die Möglichkeit, 
Minister, die diesem Bedürfniß genügen, sowohl gegen gelegent— 
liche Majoritäts-Abstimmungen als auch gegen Hof= und Camarilla- 
Einflüsse zu halten. Dieses Ziel war bis zu dem nach menschlicher 
Unvollkommenheit überhaupt erreichbaren Grade annähernd erreicht 
unter der Regirung Wilhelms I. 
IV. 
Die Eröffnung des Landtags stand unmittelbar nach unfrer 
Ankunft in Berlin bevor, und die Thronrede kam in Prag zur 
Berathung. Dort trafen Abgeordnete der conservativen Fraction 
ein, die während des Conflicts zeitweise bis auf elf Mitglieder 
herabgegangen war und durch die Wahlen am 3. Juli unter dem 
Eindruck der ersten Siege vor Königgrätz sich auf mehr als
	        
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