Full text: Gedanken und Erinnerungen. Zweiter Band. (2)

Der König giebt nach. Die Annexionen: Hanover. 71 
Kluft zwischen den Ost- und den Westprovinzen auszufüllen und 
Preußen ein haltbar abgerundetes Gebiet auch für den Fall des 
frühern oder spätern Mißlingens der nationalen Neubildung zu 
schaffen. Bei der Annexion von Hanover und Kurhessen handelte 
es sich also um Herstellung einer unter allen Eventualitäten 
wirksamen Verbindung zwischen den beiden Theilen der Monarchie. 
Die Schwierigkeiten der Zollverbindung zwischen unsern beiden 
Gebietstheilen und die Haltung Hanovers im letzten Kriege hatten 
das Bedürfniß eines unbeschränkt in einer Hand befindlichen terri- 
torialen Zusammenhanges im Norden von Neuem anschaulich ge- 
macht. Wir durften der Möglichkeit, bei künftigen östreichischen 
oder andern Kriegen ein oder zwei feindliche Corps von guten 
Truppen im Rücken zu haben, nicht von Neuem ausgesetzt werden. 
Die Besorgniß, daß die Dinge sich einmal so gestalten könnten, 
wurde verschärft durch die überschwängliche Auffassung, die der 
König Georg V. von seiner und seiner Dynastie Mission hatte. 
Man ist nicht jeden Tag in der Lage, einer gefährlichen 
Situation der Art abzuhelfen, und der Staatsmann, den die 
Ereignisse in den Stand setzen, letztres zu thun, und der sie 
nicht benutzt, nimmt eine große Verantwortlichkeit auf sich, da 
die völkerrechtliche Politik und das Recht der deutschen Nation, 
ungetheilt als solche zu leben und zu athmen, nicht nach privat- 
rechtlichen Grundsätzen beurtheilt werden kann. Der König von 
Hanover schickte durch einen Adjutanten nach Nikolsburg einen 
Brief an den König, den ich Se. Majestät nicht anzunehmen bat, 
weil wir nicht gemüthliche, sondern politische Gesichtspunkte im 
Auge zu halten hätten, und weil die Selbständigkeit Hanovers mit 
der völkerrechtlichen Befugniß, seine Truppen nach dem jedesmaligen 
Ermessen des Souveräns gegen oder für Preußen in's Feld führen 
zu können, mit der Durchführung deutscher Einheit unvereinbar war. 
Die Haltbarkeit der Verträge allein ohne die Bürgschaft einer hin- 
reichenden Hausmacht des leitenden Fürsten hat niemals hingereicht, 
der deutschen Nation Frieden und Einheit im Reiche zu sichern.
	        
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