72 Einundzwanzigstes Kapitel: Der Norddeutsche Bund.
Es gelang mir, den König von dem Gedanken abzubringen,
mit Hanover und Hessen auf der Basis der Zerstückelung dieser
Länder und des Bündnisses mit den frühern Herrschern als Theil—
fürsten eines Restes zu verhandeln. Wenn der Kurfürst Fulda und
Hanau, und Georg V. Kalenberg mit Lüneburg und der Aussicht
auf die Erbfolge in Braunschweig behalten hätte, so würden weder
die Hanoveraner und Hessen, noch die beiden Fürsten zufriedene
Theilnehmer des Norddeutschen Bundes geworden sein. Dieser Plan
würde uns unzufriedene und behufs Wiedererwerb des Verlornen
zur Rheinbündelei geneigte Bundesgenossen gegeben haben.
Auch eine so unbedingte Hingebung für Oestreich, wie sie
Nassau bewiesen hatte, in der unmittelbaren Nähe von Coblenz,
war eine gefährliche Erscheinung, besonders in der Eventualität
französisch-östreichischer Bündnisse, wie sie sich während des Krim-
krieges und der polnischen Wirren von 1863 in bedrohliche Aus-
sicht gestellt hatten. Die Abneigung Sr. Majestät gegen Nassau
war ein väterliches Erbtheil. Friedrich Wilhelm III. pflegte durch
das Herzogthum zu reisen, ohne den Herzog zu sehn. Das Con-
tingent des Herzogs hatte sich in der Rheinbundzeit in Preußen
besonders unangenehm gemacht, und König Wilhelm I. wurde
gegen Concessionen an den Herzog durch den leidenschaftlichen
Widerspruch der Deputationen früherer nassauischer Unterthanen
eingenommen; die stehende Rede derselben war: „Schütze Se uns
vor dem Fürste und sei' Jagdknechte.“
Es blieben Friedensverträge zu schließen mit Sachsen und
den süddeutschen Staaten. Herr von Varnbüler bewies dieselbe
Lebhaftigkeit des Temperaments wie bei den Vorbereitungen zum
Kriege und war der erste, mit dem der Abschluß gelang 1). Es
handelte sich unter Anderm darum, ob wir, da Würtemberg das
preußische Hohenzollern in Besitz genommen hatte, jetzt, wie der
König wollte, den Spieß umkehren und eine Vergrößerung Hohen-
) S. o. S. 48. 50.