Passivität Spaniens gegenüber der französischen Einmischung. 81
erstrebten Ziele zu führen. Die Memoiren Seiner Majestät des
Königs von Rumänien sind über Einzelheiten der ministeriellen Mit-
wirkung in der Frage nicht genau unterrichtet. Das dort erwähnte
Minister-Conseil im Schlosse hat nicht stattgefunden. Fürst Anton
wohnte als Gast des Königs im Schlosse und hatte dort diesen
Herrn und einige der Minister zum Diner eingeladen; ich glaube
kaum, daß im Tischgespräch die spanische Frage verhandelt wurde.
Wenn der Herzog von Gramont *) sich bemüht, den Beweis zu
führen, daß ich der spanischen Anregung gegenüber mich nicht ab-
lehnend verhalten hätte, so finde ich keinen Grund, dem zu wider-
sprechen. Des Wortlautes meines Briefes an den Marschall Prim,
von dem der Herzog hat erzählen hören, erinnere ich mich nicht
mehr; wenn ich selbst ihn redigirt habe, was ich auch nicht mehr
weiß, so werde ich die Hohenzollernsche Candidatur schwerlich „une
excellente chose“ genannt haben, der Ausdruck ist mir nicht mund-
recht. Daß ich sie für „opportune“ hielt, nicht „à un moment
donné", sondern prinzipiell und im Frieden, ist richtig. Ich hatte
dabei nicht den mindesten Zweifel daran, daß der am französischen
Hofe gern gesehne Enkel der Murats dem Lande Frankreichs Wohl-
wollen sichern werde.
Die Einmischung Frankreichs galt in ihren Anfängen spani-
schen, nicht preußischen Angelegenheiten; die Fälschung der Napoleo-
nischen Politik, vermöge deren die Frage zu einer preußischen werden
sollte, war eine international unberechtigte und provocirende und
bewies mir, daß der Moment gekommen war, wo Frankreich Händel
mit uns suchte und bereit war, dafür jeden Vorwand zu ergreifen,
der brauchbar schien. Ich betrachtete die französische Einmischung
zunächst als eine Verletzung und deshalb als eine Beleidigung
Spaniens und erwartete, daß das spanische Ehrgefühl sich dieses
X) Gramont, La France et la Prusse avant la guerre. Paris 1872.
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Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 6