Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

Mißgunst der Mächte. Indemnität. Allgemeines Wahlrecht. 105 
Massen gegeben worden ist. Fürst Bismarck hält auch noch 
in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ dafür, daß das all— 
gemeine Wahlrecht, sobald nur die Heimlichkeit beseitigt werde, 
ein nicht bloß theoretisch, sondern auch praktisch berechtigtes 
Prinzip sei. Es gewährt den Begehrlichen und den Besitzen- 
den zwar gleiches Recht, aber die Oeffentlichkeit der Wahl 
würde gegen die unter den Massen wirksame Rhetorik ge- 
schickter und ehrgeiziger Führer ein Gegengewicht schaffen in 
dem Einflusse der Gebildeten und Besitzenden auf die Minder- 
gebildeten und Abhängigen. Ein Staatswesen, dessen Re- 
gierung in die Hände der Begehrlichen, der novarum rerum 
cupici, und der Redner fällt, „wird stets zu einer Unruhe 
der Entwickelung verurtheilt sein, der so gewichtige Massen, 
wie staatliche Gemeinwesen sind, nicht folgen können, ohne in 
ihrem Organismus geschädigt zu werden“. Es wird in den 
Wirbel des französischen Kreislaufes gerathen, der von der 
Monarchie durch alle Stadien der republikanischen Entwicke- 
lung hindurch zu Dictatur, Gewaltherrschaft und Absolutismus 
zurückführt. Den Absolutismus hält Fürst Bismarck, theo- 
retisch betrachtet, wegen der ihm eigenen Stetigkeit für die 
ideale Verfassung für europäische Staatsgebilde, „wenn der 
König und seine Beamten nicht Menschen blieben wie jeder 
Andere, denen es nicht gegeben ist, mit übermenschlicher Sach- 
kunde, Einsicht und Gerechtigkeit zu regieren“. Da auch die 
einsichtigsten und wohlwollendsten Monarchen menschlichen 
Schwächen und Unvollkommenheiten unterliegen, so bedarf 
auch „der idealste Monarch, wenn er nicht in seinem Idealis- 
mus gemeinschädlich werden soll“, der Kritik, um sich an deren 
Stacheln zurechtzufinden, „wenn er den Weg zu verlieren Ge- 
fahr läuft.“ Diese Kritik aber kann nur durch eine freie Presse 
und durch Parlamente im modernen Sinne geübt werden; 
nur dürfen beide Corrective ihre Wirkung nicht durch Miß- 
brauch abstumpfen und schließlich verlieren. Der Regierung 
liegt die Verpflichtung ob, Presse und Parlamente in den- 
jenigen Schranken zu halten, die die Rücksicht auf das Staats- 
wohl vorschreibt. Sie bedarf in diesem Kampfe eines hohen 
Maßes politischen Tactes: ein Zuviel würde die dem Lande
	        
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