Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Frankreich. (Dezember 27.) 487 
nun Sozialisten, Liberale oder Revolutionäre sein. Wir verzweifeln nicht 
an unseren früheren Bundesgenossen und sind bereit, die alten Beziehungen 
zu ihm wieder anzuknüpfen, deren Abbruch nicht uns zur Last fällt. P. 
verliest sodann die den Botschaftern der Alliierten in Petersburg gegebenen 
Anweisungen. Nur die Feinde haben uns Eroberungsabsichten zuschreiben 
können. Sie, die vierzig Jahre lang den ungeheuerlichen Angriff vor- 
bereitet und öffentlich die Knechtung der Welt gepredigt haben, sind die 
einzigen, die uns angeklagt haben. Sie haben sich auf das unglückliche 
Serbien geworfen, Belgien angefallen, den Unterseebootkrieg eröffnet, Ge- 
biete verwüstet und niemals die Kriegsziele außer in doppeldeutigen An- 
deutungen bekanntgegeben. Wir mischen uns nicht in die innere Politik 
Rußlands ein, treffen aber die notwendigen Maßnahmen, um unsere be- 
trächtlichen Interessen in diesem Lande zu schützen, mit dem wir ein 
Vierteljahrhundert durch ein Bündnis verbunden gewesen sind. Laßt uns, 
gemäß den Grundsätzen der Maximalisten, den Bevölkerungen, die die Be- 
ziehungen zu uns aufrecht erhalten wollen, in günstigem Sinne antworten. 
Wir arbeiten nicht an einer Zerteilung Rußlands, wollen aber einer Politik 
dienen, die, indem sie das Ganze umfaßt, Rußland selbst erneuern würde. 
Unter großem Beifall erinnert P. sodann an die besonderen Pflichten, die 
Frankreich dem unglücklichen Rumänien gegenüber übernommen habe, 
das dank Frankreich in den Krieg eingetreten sei. Trotz aller Bemühungen 
habe der Waffenstillstand nicht vermieden werden können, aber das Unglück 
Rumäniens werde ebenso wie das der Völker Belgiens und Serbiens nur 
eine Zeitlang dauern. « 
P. wiederholt dann die bekannten Erklärungen über die Kriegsziele 
Frankreichs und fährt fort: Wir haben die Eroberung Jerusalems als eine 
Befreiung angesehen. Sie ist nicht nur ein französischer oder englischer 
Sieg, sondern ein solcher der zivilisierten Welt, eine Befreiung der Völker- 
schaften Palästinas, wo eine internationale Verwaltung der Gerechtigkeit 
und Freiheit geschaffen werden wird. P. erinnert daran, daß Frankreich 
erklärt habe, daß von den Geheimverträgen mit Rußland nichts übrig 
geblieben sei. Die Veröffentlichung der Geheimverträge, fügt er hinzu, war 
übrigens ein vollständiges Fiasko für Deutschland, vor allem hinsichtlich 
dessen, was die skandinavischen Länder betrifft. Es hat nicht die guten Be- 
ziehungen zu ihnen bceinträchtigen können. P. verspottet diejenigen, die 
gegen die Geheimdiplomatie Frankreichs Anschuldigungen vorbringen und 
seibst auf frischer Tat ertappt wurden, wie sie das Völkerrecht in Mexiko, 
Argentinien und mehreren anderen neutralen Ländern verletzten. Er findet 
gewisse Stellen äm Waffenstillstandsvertrog seltsam und äußert die Hoff- 
nung, daß Rußland nicht so naiv sein werde, den Versicherungen der 
Menschlichkeit der deutschen, österreichisch-ungarischen, türkischen und bul- 
garischen Vertreter Glauben zu schenken. Er befürchte, daß es Rußlands 
Verhängnis sei, sich von den Feinden einwickeln zu lassen. 
Eine Hosfnung bleibt uns in der Erklärung Trotzkis gegenüber dem 
franz. Botschafter Roulens. Auf jeden Fall wird die versassunggebende 
Versammlung iprechen, und ich hoffe, daß sie nicht, wie ihr gedroht worden 
ist, ausgelöst werden wird. Der Vierbund nimmt wohl die russischen Vor- 
schläge als Grundlage einer Erörterung an, aber dann wird Deutschland 
bei jedem Paragraphen versuchen, uns zu Verhandlungen zu bringen. Kann 
nach den schrecklichen Verlusten, nach diesem Heldentum der Truppen die 
Rede sein von einem bedingungslosen Frieden, vom Status quo der Grenzen 
und einem Status quo in wirtschaftlicher Beziehung? (Beifall.) Ich habe 
schon gesagt, daß wir an dem Tage, wo man unmittelbar wegen der Friedens- 
bedingungen an uns herantreten würde, wir sie mit unseren Bundes-
	        
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