Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

196 XX. Kaiser Wilhelm I. Kaiser Friedrich. 
dem militairischen Berufe überwiesen. Die Kinderlosigkeit 
Friedrich Wilhelms IV. ließ den Prinzen Wilhelm in den Rang 
des Thronfolgers einrücken, aber auch jetzt noch blieben ihm 
die staatlichen Einrichtungen, soweit sie außerhalb des Kreises 
seines militairischen Berufes standen, so gut wie unbekannt. 
Diese Unkenntniß empfand er erst als Lücke seiner Vorbildung, 
als er die Last der Regentschaft für den erkrankten Bruder 
übernehmen mußte. Alsbald war er bemüht, sie auszufüllen 
in treuer Arbeit Tag und Nacht. Mit vollem Ernste und 
voller Gewissenhaftigkeit widmete er sich den Staatsgeschäften, 
las alle Eingänge, gleichgültig, ob sie ihn anzogen oder nicht, 
und studirte selbst die Verträge oder Gesetze, um sich ein 
selbständiges Urtheil zu bilden. Er las weder Romane noch 
rauchte er; die einzige Erholung, die er sich gönnte, war der 
Besuch des Theaters, aber selbst dort nahm er in dem kleinen, 
vor der Loge gelegenen Zimmer Vorträge entgegen, ohne 
jemals über Störung zu klagen. Des Staates erster Diener, 
war er auch in der Nacht jederzeit auf dem Posten, wenn 
schwierige Verhältnisse schneller Entschließung bedurften. In 
seinen Entscheidungen unterstützte ihn „ein ungewöhnliches 
Maß von klarem, durch Erlerntes weder unterstütztem noch 
beeinträchtigtem gesunden Menschenverstande“; erschwert wurde 
die Verhandlung mit ihm durch „fürstliche, militairische und 
locale Traditionen“, an denen er mit Zähigkeit hing. Aber 
diese Zähigkeit entsprang nicht dem Eigensinn, sondern der 
höchsten seiner fürstlichen Tugenden, der Treue, mit der er 
an alten Gewohnheiten, Menschen seiner Umgebung, wie Dingen 
des Gebrauches und Erinnerungen der Jugend festhielt. Es 
kostete ihm darum jedesmal einen schweren Kampf, ehe er sich 
entschloß, neue Bahnen zu gehen. Hatte er sich von der Noth- 
wendigkeit überzeugt, in neue Geleise einzulenken, weil Pflicht 
und Ehre es ihm geboten, so kamen etwaige Gefahren, die auf 
dem neuen Wege liegen konnten, für ihn nicht in Betracht: 
die Furchtlosigkeit des preußischen Offiziers, der mit einem 
„zu Befehl“ in den Tod geht, war dem Könige eigen, sobald 
er im Kampfe stand. Aber er scheute die „Manoeuvrekritik“", 
die seine Gemahlin an seinen Entschließungen übte, und ihr
	        
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