Full text: Wegweiser durch Bismarcks Gedanken und Erinnerungen. (3)

222 Anhang 2. 
Europas eingebracht hatte. Die Besprechungen der beiden Kanzler 
haben sich namentlich auf die Beziehungen zwischen Deutschland 
und Oesterreich im Laufe der Ereignisse seit dem Jahre 1848 ge- 
richtet. Das Schicksal der Waffen hat entschieden, daß Preußen 
an die Spitze des geeinigten Deutschlands gestellt wurde. Nach- 
dem der Deutsche Bund aufgelöst war, hörte Oesterreich auf, durch 
Verträge mit dem wiederhergestellten Deutschland verbunden zu 
sein; aber der Bund zwischen Preußen, Oesterreich und den deut- 
schen Staaten besteht in der öffentlichen Meinung Doutschlands, 
die ihn zu ersetzen strebt durch eine moralische Vereinigung der 
beiden Reiche, in deren friedlichem Geiste man eine Bürgschaft 
der Aufrechterhaltung des Friedens von Europa sieht. Ich spreche 
nicht von der Weisheit, mit der Du so mächtig zur Aufrecht- 
erhaltung dieses Friedens beigetragen hast, trotz der einzelnen 
Kriege, deren Schauplatz Europa in den letzten 20 Jahren war. 
— Die Entlassung des Grafen Andrassy, der für seine Person die 
obenerwähnte Richtung eingehalten hatte, konnte ernste Folgen 
haben, wer auch immer sein Nachfolger war, weil das Vertrauen 
kein Erbstück ist. Die beiden Kanzler kamen also überein, durch 
eine neue Verständigung zwischen Deutschland und Oesterreich die 
Lücke zu füllen, die durch die Beseitigung des Deutschen Bundes 
gelassen war, der während eines halben Jahrhunderts den Bund 
Prcußens, Oesterreichs und der deutschen Fürsten repräsentirt hatte. 
Dieses Einverständniß ist in der beigeschlossenen Denkschrift formulirt. 
Ich sage mir gern, daß die in diesem wichtigen Stücke zu- 
sammengefaßten Grundsätze von Dir werden anerkannt werden, 
und daß Du ihnen gern beistimmen wirst als Wiederherstellung 
des Einvernehmens der drei Kaiser, welches Europa seit dem Jahre 
1873 so bedeutende Dienste geleistet hat. Ich habe nicht ohne 
Genugthuung bemerkt, daß nach unserer Zusammenkunft in Alexan- 
drowo die Presse in unseren Ländern sich beruhigt hat; ich bin 
jedoch in einer Moskauer Zeitung einem Artikel begegnet, welcher 
offen von dem panflavistischen Kriege gegen Deutschland redet wie 
von einer beschlossenen Sache, ohne daß der Generalgouverneur 
diese Zeitung beschlagnahmt hätte, wozu er im vollen Rechte ge- 
wesen wäre mit den Vollmachten, die er besitzt. Ich fürchte die 
nihilistische Partei, welche im Einklang mit dem Panflavismus
	        
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