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1870 Befragen, durch wen seiner Ansicht nach die Staatsgewalt Frank-
2. 9.
reichs gegenwärtig vertreten werde, verwies mich Se. Majestät
auf das in Paris bestehende Gouvernement. Nach Aufklärung
dieses aus dem gestrigen Schreiben des Kaisers an Eure Maje-
stüt nicht mit Sicherheit zu beurtheilenden Punktes erkannte
ich, und verschwieg dies auch dem Kaiser nicht, daß die Situation
noch heut wie gestern kein andres praktisches Moment als das
militärische darbiete, und betonte die daraus für uns hervor-
gehende Nothwendigkeit, durch die Capitulation Sedans vor
allen Dingen ein materielles Pfand für die Befestigung der
gewonnenen militärischen Resultate in die Hand zu bekommen.
Ich hatte schon gestern Abend mit dem General v. Moltke nach
allen Seiten hin die Frage erwogen: ob es möglich sein würde,
ohne Schädigung der deutschen Interessen dem militärischen Ehr-
gefühl einer Armee, die sich gut geschlagen hatte, günstigere Be-
dingungen als die festgestellten anzubieten. Nach pflichtmäßiger
Erwägung mußten wir Beide in der Verneinung dieser Frage
beharren. Wenn daher der General v. Moltke, der inzwischen
aus der Stadt hinzugekommen war, sich zu Eurer Majestät
begab, um Allerhöchstdenselben die Wünsche des Kaisers vor-
zulegen, so geschah dies, wie Eurer Mocjestät bekannt, nicht in
der Absicht, dieselben zu befürworten.
Der Kaiser begab sich demnächst ins Freie und lud mich
ein, mich vor der Thür des Hauses neben ihn zu setzen. Se.
Majestät stellte mir die Frage, ob es nicht thunlich sei, die
französische Armee über die belgische Grenze gehn zu lassen, damit
sie dort entwaffnet und internirt werde. Ich hatte auch diese
Eventualität bereits am Abend zuvor mit General v. Moltke
besprochen und ging unter Anführung der oben bereits ange-
deuteten Motive auch auf die Besprechung dieser Modalität
nicht ein. In Berührung der politischen Situation nahm ich
meinerseits keine Initiative, der Kaiser nur insoweit, daß er
das Unglück des Krieges beklagte und erklürte, daß er selbst