Kaiserliche Dotation die Initiative zu nehmen, würde selbst 1872
ein geschickterer Unterhändler, als der Hofprediger Hoffmann 12.8.
ist, jetzt nicht in München annehmbar machen.
Ich wage nicht über die Frage ein Votum zu geben, wenn
der Reichstag nicht beisammen ist; denn aus den Aeußerungen,
die ein Abgeordneter unter vier Augen thut, kann man nie-
mals den Schluß ziehn, daß er im Reichstag dieselbe Ansicht
vertreten werde. Nur wenn die Fractionen versammelt sind,
läßt sich annähernd ein Urtheil über die Aufnahme gewinnen,
die eine Frage im Reichstag finden wird.
Gestatten Eure Majestät also huldreichst, daß ich mein
Urtheil über die Thunlichkeit der Sache bis dahin aussetze.
Daß der Oberhofprediger Hoffmann schon jetzt eine sichere
Meinung über die Frage abgiebt, wundert mich nicht, denn ich
kenne seit Jahren die sanguinische Sicherheit, mit welcher sich
dieser geistliche Herr auf dem ihm ganz fremden Boden der
Politik bewegt. Sein gänzlicher Mangel an diskreter Zurück-
haltung, welche zarte Geschäfte erfordern, läßt mich befürchten,
daß er das vorliegende durch seine Einmischung nur erschweren
und Eurer Majestät Namen, wie das schon im Winter in
Berlin geschehn zu sein scheint, mißbräuchlich benutzen werde.
Ich kann daher nur ehrfurchtsvoll anrathen, dem Oberhof-
prediger jede Thätigkeit auf diesem Felde huldreichst untersagen
zu wollen, namentlich auf dem verfänglichen Boden Münchens.
Einige Sorge macht mir in meiner Einsamkeit die Rang-
frage zwischen den Majestäten von Rußland und Oestreich.
Graf Stillfried scheint zu meinem Erstaunen zu glauben, daß
noch heut ein allgemeiner Vorrang eines Kaiser-Hofes oder
Hauses vor einem andern von dem letzteren irgend wie an-
erkannt werde. Das war selbst im vorigen Jahrhundert nie-
mals unbestritten, und ist 1814—15 und 1818 in Aachen durch-
aus ausgegeben. An Rang giebt an sich keiner der beiden
Kaiser dem andern den pas. Die Auswege, die sich bieten,