Full text: II. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Aus Bismarcks Briefwechsel. (6)

1853 
14. 2. 
— 118 — 
64. 
Freiherr v. Prokesch-Osten an Bismarck. 
Wegen des Artikels der Presse'), hochwohlgeborner und 
*) Den ein Journalist Kehner im Auftrage des Ritter Braun, eines 
Beamten der österreichischen Gesandtschaft in Frankfurt, verfaßt haben 
sollte. In dem Artikel, dat. Wien 8. Februar, hieß es: „Der preußische 
Legationsrath und Bundestagsgesandte v. Bismarck hat bekanntlich nach 
der Abreise des Grafen von Thun aus Frankfurt durch freiwillige Ueber- 
tragung die österreichische Stimme in der Bundesversammlung und mit 
ihr interimistisch den Vorsitz geführt. Herrn v. Bismarcks Soiréen waren 
im Laufe dieses Interregnums viel besucht, von einer besonderen Thätig- 
keit der Bundesversammlung hat man aber während der Zeit wenig 
vernommen. Doch scheint sich der interimistische Präsident an diese 
Ausnahmestellung so gewöhnt zu haben, daß er sie gar zu gern in eine 
dauernde verwandeln möchte. Wenigstens begegnen wir in dem Ber- 
liner ministeriellen Blatt „Die Zeit“ einem sehr legationsräthlichen Ar- 
tikel aus Frankfurt, der plötzlich in die Präsidialbefugnisse Oesterreichs 
Zweifel setzt und jenen alten preußischen Wunsch nach Alterntrung des 
Vorsitzes wieder durchschimmern läßt. 
Es war wirklich höchst zeitgemäß, mit solchen Ansprüchen in 
einem Augenblicke aufzutreten, wo Oesterreich, indem es sich mit einem 
einfachen Handelsvertrage begnügte, deutlich genug zu erkennen gab, 
daß es, anstatt der ihm zugemutheten politischen Pläne, bloß materielle 
Verbesserungen im Auge hat. Die Haltung Oesterreichs zeigt in jeder 
Beziehung klar genug, daß es nirgends in den Bereich fremder Macht- 
stellung einzugreifen gesonnen ist, daß es aber sein eigenes Recht mit 
jener Kraft und Ausdauer zu sichern gedenkt, welche viele Blätter der 
Geschichte zu rühmen wissen. Das Recht des Vorsitzes in der Bundes- 
versammlung ist ihm durch die Bundesacte zugesichert, und wir hoffen, 
daß es Niemandem ernstlich einfallen wird, dieses Recht anzutasten. 
Gänzlich verfehlt in seiner logischen Begründung und nicht sehr 
delikat in staatsmännischer Bezlehung erscheint vollends der Versuch des 
erwähnten Frankfurter Briefes, gegen die Persönlichkeit des Kaiserlich 
österreichischen Präsidialgesandten Mißtrauen zu erwecken. „Wenn sich 
Herr v. Prokesch,“ heißt es dort, „um die Vertretung der specifisch 
österreichischen Politik Verdienste erworben hat, so liegt darin allein 
noch keine Gewähr seines Eifers für eine erfreuliche und nach allen 
Seiten hin befriedigende Gestaltung der deutschen Bundesverhältnisse. 
Im Gegentheil kann man sich der Besorgniß nicht erwehren, daß seine
	        
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