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verehrtester Herr College, habe ich mich in Wien beklagt).
Heute fällt mir der anliegende der Cölner Zeitung in die Hand,
der insoferne ganz interessant ist, als er einen Blick in das
Geheimniß dieser legalen Giftbereitung erlaubt.
Erstens wird eine Thatsache erfunden und als Wahrheit
hingestellt. So hier die angegebene Losung der österreichischen
Blätter: „Ausdehnung der Befugnisse des Bundestages“. Daß
sicher kein einziges österreichisches Blatt, auch das albernste
nicht (und es gibt deren viele alberne), diese Prätension auf-
gestellt hat, daß also die Thatsache eine Lüge ist, das ist eben
ihre Kraft, denn jede Lüge hat für die Gaumen corrompirter
Völker einen besonders wohlgefälligen Geschmack, wie der Ver-
wesungsproceß des haut goat für die feinsten Feinschmecker.
Hat man nun das Corpus delicti geschaffen und den
Gegnern um den Hals gehängt, so ist die Sache schon halb
bisherige vorzugsweise Accentuirung der österreichischen Politik dem
allgemeinen deutschen Interesse Eintrag thun möchte.“ Auf diese Be-
hauptung ließe sich ganz einfach mit dem gar sehr zutrefsenden Sprüch-
wort antworten: „Wer nicht für sich zu sorgen weiß, wird auch Andern
nichts leisten.“ Die Förderung der österreichischen Interessen ging, wie
alle Welt weiß, mit den allgemeinen deutschen fortwährend Hand in
Hand; namentlich knüpft sich an die frühere Stellung des Herrn von
Prokesch die Auflösung der Union und die Vereitelung anderer Sonder-
bundspläne, Ereignisse, die gewiß einen allgemein deutschen Charakter
haben.“
*) Vgl. Prokeschs Schreiben an Graf Buol vom 13. Februar 1853,
Aus den Briefen des Grafen Prokesch von Osten (Wien 1896) S. 294 f.
Die Stelle lautet: „Herr v. Manteuffel sandte an Herrn v. Bismarck
ein Blatt der in Wien erscheinenden „Presse“ vom 9., das einen perfön-
lichen Angriff auf diesen enthält. Herr v. Bismarck beklagte sich bei
mir darüber. Ich drückie ihm mein Bedauern darüber aus, daß man
in Berlin solchen Mist auffaßt und ihm vor die Augen bringt. Ich
weiß leider, daß man dort durch die eigene Brille sieht und hinter jedem
Zeitungsgeschmiere die Regierung wittern will. Für mich, der ich mich
des guten Einvernehmens mit meinem preußischen Collegen befleiße
(was an sich nicht ganz leicht ist), sind derlei Mißgrifse der Wiener
„Presse“ nicht angenehm.“