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vor, wo die Sache officiell zu meiner Kenntniß gelangen würde, 1853
was bisher nur durch Privatmittheilungen des Geheimen Re- 80.6.
gierungsraths Crüger geschehn sei. Ich habe mit Rücksicht
auf den Besuch Sr. Majestät des Königs in Wien und auf
die Möglichkeit, daß politische Folgen sich an denselben knüpfen,
sowohl in diesem wie in andern ähnlichen und gleichzeitigen
Fällen es vermieden, amtlich und mit derjenigen Entschieden-
heit, zu welcher das Sachverhältniß mich berechtigen konnte,
den Präsidialgesandten in seine Schranken zurückzuweisen, und
bin gleichzeitig bemüht gewesen, die Discussion in das Geleise
freundschaftlicher Verständigung zurückzuführen, so oft Herr
v. Prokesch dasselbe verließ. Indessen kann ich nach Lage der
Sache auf die Frage zurückkommen, sobald es mir aufgetragen
wird.
Den Bayerischen Gesandten, Herrn von Schrenk, rechne
ich zu den besten Elementen der Versammlung sowohl seiner
Befähigung als seinem Charakter nach; er ist ein gründlicher
und fleißiger Arbeiter, dabei praktisch in seinen Auffassungen
und Urtheilen, wenn auch seine mehr juristische Bildung und
Denkungsweise ihn mitunter etwas rechthaberisch macht, und
einem leichteren Fortgang der Geschäfte hemmend entgegentritt.
Im amtlichen Verkehr ist er offen und gefällig, so lange sein
in der That hochgesteigertes und sehr reizbares Nationalgefühl
geschont wird, eine Schwäche, welcher Rechnung zu tragen ich
mir besonders angelegen sein lasse.
Unser sächsischer College, Herr von Nostitz, flößt mir
weniger Vertrauen ein. Er hat im Grunde eine, wie mir
scheint, althergebrachte Hinneigung zu Preußen und seinem poli-
tischen System, welche unter anderm aus einem mehr ratio-
nalistischen als orthodoxen Protestantismus und der Furcht vor
ultramontanen Bestrebungen Nahrung zieht. Ich glaube aber,
und es sollte mir lieb sein, wenn ich ihm unrecht thäte, daß
ihm im Ganzen persönliche Interessen höher stehn als Folitische,
Aus Bismarcks Briefwechsel.