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habe. In der ersten Zeit nach dem Wiederzusammentritt des 1853
Bundestags war bei ihm wie bei einer großen Anzahl seiner 30.5.
Landsleute eine Hinneigung zu Oestreich nicht zu verkennen;
es scheint mir aber unzweifelhaft, daß seine zweijährige Beob-
achtung der Mittel, welche die östreichische Politik durch das
Organ des Präsidiums hier zur Anwendung bringt, in der
ehrliebenden Natur des Herrn von Oertzen, ungeachtet auch er
einen Sohn im östreichischen Heere hat, eine Reaction erzeugt
hat, die mich auf ihn persönlich vollständig und auf seine poli-
tische Unterstützung insoweit zählen läßt, als es seine Instruc-
tionen, über deren Natur ich im Ganzen nicht klagen kann,
nur immer gestatten. Jedenfalls kann ich bei ihm unter allen
Umständen auf ein offnes und ehrliches Verfahren rechnen. Er
bearbeitet als Referent vorzugsweise die Bentinckschen und andre
Reclamations-Sachen mit vieler Gründlichkeit, wenn ich auch die
Richtigkeit seines Urtheils nicht immer anerkennen kann. Seine
Haltung bei Diseussionen ist jederzeit ruhig und vermittelnd.
Der Vertreter der 15en Curie ist Herr von Eisendecher,
ein Mann, dessen freundliches Entgegenkommen und anscheinend
grades ehrliches Wesen, verbunden mit Witz und Lebhaftigkeit
in der Unterhaltung, mich anfangs für ihn eingenommen hatte.
Bei längerer Beobachtung hat sich mir indeß die Ueberzeugung
aufgedrängt, daß seine äußere Erscheinung ihm nur als Maske
für einen ziemlich hohen Grad von Verschlagenheit dient, und
daß man ihm, wie das Sprichwort sagt, nicht über den Weg
trauen kann. Er war früher ein sehr avancirter Gothaer, und
wenn man seinen Worten glauben dürfte, so wäre diese Fär-
bung naturgemäß übergegangen in eine lebhafte Sympathie
für Ausbildung des Bundes als starker einheitlicher Central-
gewalt, indem er auf diesem Wege durch Hülfe Oestreichs
einen Ersatz zu finden meint für die fehlgeschlagenen Einheits-
bestrebungen im Preußischen Sinne. Ich will wünschen, daß
dies das wahre Motiv ist für seine unverkennbare Parteinahme