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74.
Graf Eberhard zu Stolberg an Bismarck.
Berlin 5)/2. 54.
Lieber Freund
Es scheint nicht, daß es in Deiner Absicht liegt uns hier 1854
zu besuchen, und doch wird es von verschiedenen Seiten dringend 5.2.
gewünscht, zunächst von Polden und meinem Vater, dann auch
von Budberg und Thun, letzterer macht nebenbei noch die
Anforderung, man möge Dich sobald wie es irgend geht, nach
Wien senden 2c. Daß Albert Plourtales) alle orientalischen
Angelegenheiten bearbeitet, daß er täglich mehr Terrain ge-
winnt, die österreichische, englische 2c. Correspondenz besorgt,
geht aus dem guten französischen Styl hervor, den nachgerade
alle Noten und Schriftstücke, welche aus dem Ministerium her-
vorgehen, angenommen haben; daß Albert aber seine frühere
politische Anschauung beibehalten, daß er unter anderm zu
denen gehört, welche sich eher entschließen, an die Spitze der
Revolution als ihr entgegenzutreten, geht aus den Redensarten
hervor, welche Manteuffel seit einigen Wochen den russischen
und österreichischen Bestrebungen entgegensetzt; daß wir dem-
nächst zwischen zwei Stühlen sitzen werden, möchte man be-
fürchten. Noch einmal soll ich Dich Namens der beiden erst-
genannten bitten, auf dem Kampfplatz zu erscheinen.
Empfiel mich Deiner verehrten Frau Gemahlin zu Gnaden
und komme bald, vielleicht könntest Du Hans?), der längst die
Absicht hat, bewegen, zur selben Zeit hier zu sein.
Dein treu ergebener
Eberhard?).
7) Kleist-Retzow.
*) Bismarcks Antwort am 6. 2. 1854: „nicht ungerufen“ (hand-
schriftlich auf dem Briefe bemerkt); vgl. Bismarcks Brief an L. v. Gerlach
vom 3. Februar 1854, Ausg. v. H. Kohl, S. 124 ff.