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die Meusebachischen Berichte") zu lesen, um sich davon zu über- 1854
zeugen, daß die Russen auf leere Worte gar nichts geben, sie 30.4.
ihrer Seits auch in keiner Weise halten, vielmehr mit brutalster
Nichtbeachtung aller Versprechungen und Verträge auf dem
Wege der Thatsachen vorgehen und höchstens achselzuckend den
Mangel der zugesagten bienveillance mit néöcessité de guerre
entschuldigen, welche indeß in dem Abreißen Preußischer Co-
carden u. s. w. doch nicht ohne Schwierigkeit zu erkennen ist.
Mit solchen Leuten muß man eventuell doch auch durch That-
sachen zu sprechen sich vorbehalten. Der zweite, wichtigere Uebel-
stand aber würde der sein: wir würden dann den ganzen Druck
der Westmächte allein auf uns laden. Welchen Gebrauch Oester-
reich davon machen könnte, brauche ich nicht darzulegen. Mit
etwas lebhafter Phantasie könnte schließlich folgendes Raisonne-
ment der Westmächte als möglich gedacht werden: Preußen
erfüllt nicht den ihm obliegenden Beruf, eine Vormauer gegen
das Andrängen slavischer Elemente zu sein, Preußen ist daher
ein unnützes Glied in der Europäischen Staaten Familie, und
es ist besser, Oesterreichs Alleinmacht zu stärben; überdieß bietet
Preußen vortreffliche Theilungs-Objecte für Oesterreich, Sachsen,
Baiern u. s. w. Daß dergleichen Reden schon an sehr bestim-
mender Stelle gehalten werden, ist mir genau bekannt. Daraus
solgt noch nicht, daß es damit Ernst sei, noch weniger, daß
man ohne Weiteres die Sache als abgemacht zu betrachten
hätte, vielmehr würde von mehren Seiten bedeutend mitzu-
sprechen und zu handeln sein, indeß muß man doch die Augen
aufmachen und sich darüber nicht täuschen, daß ein solcher
Sirenen-Gesang nicht überall Wachs in den Ohren finden würde.
Daß Bunsens Entfernung inmittelst bewirkt ist, wird Ew.
Hochwohlgeboren bekannt sein. Die Sache hat, wie ich nicht
verkenne, im gegenwärtigen Moment ihr Bedenkliches; wie die
*) v. Meusebach war preußischer Consul in Bukarest, vgl. Denk-
würdigkeiten Leopolds v. Gerlach II, 141.