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meiner Ueberzeugung nach nicht an der (richtigen) Stelle und 1854
noch weniger richtig ausgeführt sind, und ebenso wenig das 22.8.
Recht von Interessen, wenn sie auch demjenigen, was ich für
richtig halten muß, schnurstracks widersprechen. Aber ich ver-
lange Wahrheit und Klarheit, und deren Mangel kann mich
zur Desperation bringen. Mangel an Wahrheit nach außen
kann ich unserer Politik nun nicht zum Vorwurf machen:
wohl aber Unwahrheit gegen uns selbst. Wir würden ganz
anders dastehen und Vieles unterlassen haben, wenn wir uns
die eigentlichen Motive eingestanden hätten, statt uns beständig
vorzuspiegeln, daß die einzelnen Acte unserer Politik Conse-
quenzen der richtigen Grund-Gedanken derselben seyen. Die
fortgesetzte Theilnahme an den Wiener Conferenzen nach dem
Einlaufen der englisch-französischen Flotte in die Dardanellen
und jetzt zuletzt die Unterstützung der westmächtlich-östreichischen
Forderungen in Petersburg haben ihren wahren Grund in der
kindischen Furcht „aus dem Concert européen herausgedrängt
zu werden“ und „die Stellung als Großmacht zu verlieren"“,
die größten Albernheiten, die zu denken sind; denn von einem
Concert européen zu sprechen, wenn 2 Mächte mit einer dritten
im Kriege sind, ist doch geradezu ein hölzernes Eisen, und
unsere Stellung als Großmacht verdanken wir doch wahr-
haftig nicht der Gefälligkeit von London, Paris und Wien,
sondern unserem guten Schwerte. Ueberdem aber spielt überall
eine Empfindlichkeit gegen Rußland mit, die ich vollkommen
begreife und auch theile, der man aber jetzt nicht nachgeben
kann, ohne zugleich uns selbst zu züchtigen.
Wo man nicht wahr gegen sich selbst ist, ist man alle-
mal auch nicht klar. Und so leben und handeln wir zwar
nicht in solcher Unklarheit, wie in Wien, wo man wie ein
Schlaftrunkener alle Augenblicke handelt, als ob man schon im
Kriege mit Rußland wäre: aber wie man neutral und Friedens-
vermittler seyn und zugleich Propositionen wie die letzten der
Auns Bismarcks Briefwechsel. 14