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1654 Fassung der telegraphischen Depesche wegen der Unbestimmtheit
11.9. schwer geworden, ich hätte gern ganz einfach telegraphirt „es
ist keine Sitzung“. Die Verantwortung wollte ich indessen nicht
auf mich nehmen. Prokesch ist nach Trier gegangen, um die
dortigen Alterthümer kennen zu lernen. Seinen Freund Linde“)
wird er wohl auch besuchen, derselbe ist dicht bei Trier an-
gesessen. Während ich schreibe, erhalte ich die gewöhnliche Kanzlei-
Anzeige, daß am 14e2 keine Sitzung stattfindet. Da Prokesch
noch nicht zurück ist, so muß er wohl geschrieben haben, oder
es ist von Wien Weisung gekommen. Zugleich wird der Aus-
fall der Sitzung des Militär-Ausschusses von morgen angezeigt.
Ich werde es nach Berlin melden.
Heute früh besuchte mich Graf Kielmansegge, um zu
hören, wie unsere Instruction über die Oesterreichischen Fragen
laute. Er wollte noch keine bestimmte haben, doch schien es mir,
daß er vorläufig angewiesen ist, sich der von Preußen in einer
Circular-Depesche ausgesprochenen Auffassung anzuschließen. Die
Depesche ist hierher nicht mitgetheilt. Graf Kielmansegge
wünschte, Ew. Excellenz möchten noch länger bleiben, damit die
Orientalische Sache noch ruhen bleibe. Er sagte mir ferner,
daß Herr v. Schrenck eine Instruction entre deux habe, Bayern
verlange Aufklärungen und sei nicht gegen einige Garantien
Rußlands. Danach scheint Bayern wieder die Vermittlerrolle
zwischen Preußen und Oesterreich übernehmen zu wollen.
Herrn v. Münchs Instruction ist ganz österreichisch. Weiter habe
ich noch nichts gehört. Auffallend ist es, daß die österreichischen
Blätter mit einem Male viel friedlicher lauten. Das wird wohl
auf Befehl geschrieben. Denn daran läßt sich doch nicht glauben,
daß man in Wien zur Besinnung komme. Ich glaube Oester-
reich wird versuchen, mit uns einen neuen April-Vertrag zu
schließen, aber noch größere Concessionen verlangen, um, wenn
*) Bundestagsgesandter für Liechtenstein.