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110.
Otto v. Manteuffel an Bismarck.
Berlin, 5. Januar 1855.
in der II. Kammer.
Euer Hochwohlgeboren
danke ich für die beiden letzten geehrten Schreiben). Deren 1855
Inhalt ist bei meinem Erlasse nach Wien?) nicht unberücksich= 5.1.
tigt geblieben. Nur eine Nuance Ihrer Auffassung wollte Se.
Majestät durchaus nicht Platz greifen lassen, nämlich die, daß
wir die Stellung des Zurücktretens stillschweigend acceptiren.
Der König hält dieß für ganz unmöglich und gab mir nicht
undeutlich zu verstehen, daß er glaube, diese Ansicht sei Euer
Hochwohlgeboren von hier aus suppeditirt und zwar von General
v. Gerlach, mit welchem Se. Mocjestät über dieselbe Sache kürz-
lich eine lebhafte Discussion gehabt).
Ueber die Vorgänge in Wien bitte ich Euer Hochwohl-
geboren das unbedingteste Stillschweigen und größte Discretion
zu beobachten; hierfür sprechen zwei Gründe, einmal, daß die
Mittheilung selbst auf sehr vertraulichen Einblicken beruht,
zweitens aber, daß hier mit der Wahrheit in der That schlimmer
Mißbrauch getrieben werden kann, um Oesterreich und nament-
lich den Kaiser durch Compromittirung noch schärfer in das
jenseitige Lager zu treiben.
Die Friedens-Hoffnungen sind im Allgemeinen sehr gering.
*) Bom 1. und B. Januar 1855, Preußen im Bundestag II, No. 75
u. 76 S. 130 ff.
**) Vom 5. Januar, Jasmund a. a. O. 1. No. CCLXXIXVII S. 400 f.,
Manteuffels Denkwürdigkeiten III, 4 fl.
*#) Dieser Ansicht widerspricht Bismarck im Briefe vom 7. Jannar,
Preußen im Bundestag II, No. 77 S. 139 ff.