115.
v. Savigny an Bismarck.
Theuerster Freund,
1855 Vor allem meinen herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom
2.2. 28.7), welches mir übrigens erst am 30., ohne Postzeichen von
Frankfurt auf dem Couvert, zugegangen ist.
In Folge direkter telegraphischer Weisung aus Berlin hatte
ich bereits in dem von Ihnen gewünschten Sinne hier gewirkt
und die Zusicherung des Herrn v. Rüdt?) erlangt, daß Herr
v. Seutter'““) angewiesen werden sollte, in Beziehung auf die
Wahlfrage des Bundesfeldherrn zu erklären, daß Baden in dem
gegenwärtigen Stadium von Betreibung dieser Angelegenheit
Abstand nehme.
Baiern hofft, wie ich annehme, aus der gegenseitigen
jalousie von Oestreich und Preußen den Vortheil für sich in
Anspruch zu nehmen, den eine neutrale Wahl eines Feldherrn
jetzt haben könnte. Meine Berichte sende ich Ihnen offen. Die
Situation, wie sie sich jetzt gestaltet hat, kann man als eine
durchaus günstige für Preußen acceptiren. Doch wird es sich
jetzt darum handeln müssen, auch für die spezifisch Preußische
Politik bestimmte Zielpunkte ins Auge zu fassen. Dann erst
steuern wir mit Sicherheit vorwärts. Das Hemmen der
Oestreichischen Ambition ist für uns zwar schon ein bedeutendes
Resultat, es wird sich aber wieder vernichten, wenn wir nicht
endlich einmal aus der bloßen Negation heraustreten. Für das
*) Nicht veröffentlicht; Concept nicht vorhanden.
**) Freiherr Rüdt von Collenberg-Bödigheim, badischer Minister
des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten.
*) Seutter von Lötzen, Oberst, badisches Mitglied der Bundes-
militärcommission.