Full text: II. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Aus Bismarcks Briefwechsel. (6)

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nach neuen Eroberungen für den menschlichen Verstand herum- 
jagte, wurde mir die Verpflichtung zu Theil, eine Frau glück- 
lich zu machen, ein Landgut mit den hier zu Lande daran 
hängenden Regierungs-Verpflichtungen einträglich zu bewirth- 
schaften, Kinder zu erziehen, ja selbst große Lümmel zu bessern. 
Von der einen Seite standen Tausende längst verstorbener, 
höchst interessanter, urweltlicher Bestien; — von der anderen 
Seite meine Mitmenschen, unter denen, nicht zu läugnen, recht 
langweilige; wäre nicht die Nothwendigkeit des schnöden Ge- 
werbes und Erwerbes hinzugetreten, ich hätte mich nicht ent- 
schlossen, die im Capua der Gedankenwelt verwöhnten Hände 
an die rauhe Wirklichkeit zu legen. Nach hartem Kampfe ist 
es mir gelungen, den stolzen Verstand zu bändigen und die 
Aufgaben des Herzens zu würdigen. Also meine Frau hält 
jetzt sehr viel von mir, meine Bauern sind unter meiner 
Regierung zufriedener als zuvor, an Kindern habe ich als Natur- 
forscher nur eines von jeder Sorte mir angelegt, ein Weiblein 
und ein Männlein, mit denen ich mich gern beschäftige und die 
mich dafür lieben. Ich erziehe vortreffliche Pferde, feine Schafe, 
edle Schweine und mittelmäßige Rinder; steigere den Ertrag 
von Feldern und Wiesen durch Be= und Entwässerung, habe die 
Frohne abgelöset und mich zum Präsidenten des Esthländischen 
Vereins der Landwirthe aufgeworfen. Ein esthländischer Land- 
wirth ist übrigens ein universeller Mensch, namentlich ein Jurist. 
Ich spreche daher in meinem Hause Recht über die 10 Tausend 
Menschen meines Kirchspiels, der Pastor schreibt es auf. Auf 
den Landtagen hört man mich an, und ich sitze im Rathe der 
Männer in Reval. Im Kleinen habe ich auch erfahren, daß 
Politik dasjenige Gebiet ist, auf dem mit dem größten Auf- 
wande von Charakter und Geist das Geringste producirt wird. 
Willst Du ein Land sehen, wo man ohne Büreaukratie lebt 
und zwar viel besser als mit studirten Juristen und Schreibern, 
so komme her. Mein Magen gewährt mir weniger Freuden; 
1855 
25. 2.
	        
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