Full text: II. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen. Aus Bismarcks Briefwechsel. (6)

— 292 — 
1859 Krieg gestimmt, wenn nicht die thatsächlichen Leiden schwerer 
12. 5. Bedrückung es gereizt haben. Es ist so weit gekommen, daß 
kaum noch unter dem Mantel allgemein deutscher Gesinnung 
ein Preußisches Blatt sich zu Preußischem Patriotismus zu 
bekennen wagt. Die allgemeine Piepmeierei (verzeihen Eure 
Excellenz diesen so bezeichnenden Ausdruck) ) spielt dabei eine 
große Rolle, nicht minder die Zwanziger, die Oestreich zu 
dieseim Zwecke niemals fehlen. Die meisten Correspondenten 
schreiben für ihren Lebensunterhalt, die meisten Blätter haben 
die Rentabilität zum Hauptzwecke, und an einigen unfrer Ber- 
liner und andrer Blätter vermag ein erfahrner Leser leicht zu 
erkennen, ob sie eine Subvention Oestreichs wiederum erhalten 
haben, sie bald erwarten, oder sie durch drohende Winke herbei- 
führen wollen. Die Kreuzzeitung thut gratis, was Koller"““) 
irgend wünschen kann. Die andern combiniren ihre Richtungen 
nach den Rücksichten, welche sie theils auf die Subvention, theils 
auf das Abonnement zu nehmen haben. 
Ich weiß nicht, ob wir nicht unfre offiziöse Einwirkung 
auf die Presse zu sehr eingeschränkt haben, und ich glaube, 
daß wir einen erheblichen Umschlag in die Stimmung bringen 
könnten, wenn wir gegen die Ueberhebungen unfrer deutschen 
Bundesgenossen, besonders Baierns, die Saite selbständiger 
Preußischer Politik in der Presse anschlügen. Vielleicht ge- 
schehn in Frankfurt Dinge, welche uns den vollsten Anlaß 
dazu bieten. Baiern kann seine 108000 M. (5) unmöglich 
lange demonstrativ auf den Beinen halten; das Münchner 
Cabinet wird seit dem Eintritt Schrenks, wenn dieser seiner 
Vergangenheit nicht untreu wird, sich viel entschiedener als 
bisher an Oestreich anschließen, und Pfordten?**) wird das Be- 
*) Piepmeier war in den vierziger Jahren der Typus für den 
charakterlosen Philister. 
* *) Oesterreichischer Gesandter in Berlin. 
*) Der an Schrencks Stelle bayrischer Bundestagsgesandter ge- 
worden war.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.