— 293 —
dürfniß haben, die Augen der Welt auf die Berathungen der 1859
Bundesversammlung zu lenken. 12 6.
In diesen Eventualitäten kann sich, wie Eure Excellenz
mir bereits in einer telegraphischen Depesche andeuteten, die
Weisheit unfrer militärischen Vorsichtsmaßregeln noch nach
andern Richtungen hin bethätigen und unfrer Haltung Nach-
druck geben. Dann wird das Preußische Selbstgefühl einen
ebenso lauten, und vielleicht folgenreicheren Ton geben, als
das bundestägliche. Das Wort „Deutsch“ für „Preußisch“
möchte ich gern erst dann auf unfre Fahne geschrieben sehn,
wenn wir enger und zweckmäßiger mit unsern übrigen Lands-
leuten verbunden wären, als bisher; es verliert von seinem
Zauber, wenn man es schon jetzt, in Anwendung auf seinen
bundestäglichen Nexus, abnützt.
Ich fürchte, daß Eure Excellenz mir in diesem brieflichen
Streifzuge in das Gebiet meiner frühern Thätigkeit ein ne
sutor ultra crepidam im Geiste zurufen; aber ich habe auch
nicht gemeint, einen amtlichen Vortrag zu halten, sondern nur
das Zeugniß eines Sachverständigen wider den Bund ablegen
wollen. Ich sehe in unserm Bundesverhältniß ein Gebrechen
Preußens, welches wir früher oder später ferro et igni werden
heilen müssen, wenn wir nicht bei Zeiten in günstiger Jahres-
zeit eine Kur dagegen vornehmen. Wenn heut lediglich der
Bund aufgehoben würde, ohne etwas andres an seine Stelle
zu setzen, so glaube ich, daß schon auf Grund dieser negativen
Errungenschaft sich bald bessre und natürlichere Beziehungen
Preußens zu seinen deutschen Nachbarn ausbilden würden, als
die bisherigen. Wenn wir zu ihnen analoge Verhältnisse
hätten, wie Oestreich vermöge der jetzt angefochtenen Verträge
sie zu den italiänischen Herzogthümern hatte, so läge mutatis
mutandis schon darin ein großer Fortschritt für uns.
v. Bismarck.