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1859 für den Dienst durch meine kurze Abwesenheit um so weniger
29.5. zu besorgen sein. Die Stadt fängt überhaupt bei der seit
8 Tagen anhaltenden Hitze an, sich mit überraschender Schnellig-
keit zu entvölbern, und wir Diplomaten werden mehr und mehr
auf den Umgang mit einander beschränkt, worin kein Fortschritt
auf dem Gebiete geselliger Annehmlichkeit zu entdecken ist. Ins-
besondre sind die deutschen Collegen für mich ein chronisches
Uebel, dessen Leiden mir soeben bei einer Berathung über das
unter unfrer (Preußischen) Protection stehende deutsche Armen-
haus wieder besonders anschaulich geworden sind, und über
dessen ärztliche Behandlung ich noch nicht mit mir einig werden
kann. Obschon ich ihnen, auf Grund von Frankfurter Ante-
cedentien und Verläumdungen, keine persona grata bin, so
machen sie doch den landsmannschaftlichen Anspruch, auf mich
in Betreff politischer Mittheilungen angewiesen zu sein, weil
sie den Fürsten Gortschakow fast niemals sehn, und er sich auf
große Politik mit ihnen nur in den engsten amtlichen Grenzen
einläßt. Die Dreistigkeit, mit welcher mir unter dieser Rubrik
die indiscretesten Fragen à brale - pourpoint gestellt werden,
übersteigt jede Voraussicht eines wohlerzognen Politikers, und
besonders entwickelt Graf Karolyis) die rücksichtsloseste Ent-
schlossenheit nach dieser Richtung hin, stets unter dem Vorwande
unfsres bundesfreundlichen Verhältnisses. Ich mag mich nun
solchen Fragen gegenüber verhalten wie ich will, so entgehe ich
doch niemals dem Mißbrauch meiner Antworten. Färbe ich
meine Auslassung einigermaßen rücksichtsvoll für den Frager,
d. h. im östreichisch-mittelstaatlichen Sinn, so höre ich schon am
andern Tage von Gortschakow, daß ihm durch belgische, eng-
lische, griechische (der Fürst Soutzo ist ein Günstling des Mi-
nisters) Canäle zu Ohren gekommen ist, Preußen fange doch
an, der Mehrheit seiner Bundesgenossen nachzugeben, da sogar
) Oesterreichischer Gesandter in Petersburg.