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vermag ich nicht zu theilen. Ich will zugeben, daß es unter
Umständen wohl einmal unser Alliirter wird sein können, glaube
aber, daß wir es viel constanter in den Reihen unsrer Gegner,
namentlich im Gefolge Frankreichs als unter der Zahl unserer
Freunde erblicken werden. Dazu kommt, daß es uns wirklich
als Verbündeter, und zwar nach keiner Seite hin, beim besten
Willen erhebliche Dienste nicht würde leisten können, während
es als Gegner im Verein mit Andern sehr unbequem, ja sogar
gefährlich werden kann. Wir können deshalb unmöglich, wie
es England wünscht, im Sinne des Verkaufs von Venetien auf
Oestreich drücken oder ihm auch nur eine Proposition machen,
die wenn sie uns gemacht würde, uns veranlassen müßte, den
Proponenten aus der Thür zu werfen. Daß Preußen keinen
Beruf hat, außerhalb des eignen Landes den Champion und
resp. den Don Quixote der Legitimität zu machen, darüber bin
ich mit Ihnen ganz einverstanden. Das hindert aber nicht,
daß wir der Revolution da, wo sie unser Macht= und unser
Interessen-Gebiet überschreitet, doch mit allen Mitteln entgegen-
treten sollten. Ob und wie weit wir dies in Italien thun
werden, ist wie gesagt, weniger eine politische als eine mili-
tärische Frage, und das Unglück der Situation ist, daß bei dem
dermaligen Zustande Oestreichs kein Mensch zu sagen im Stande
ist, ob überhaupt und in welchem Grade auf diese Macht bei
einem allgemeinen tohu bohn noch zu rechnen ist.
Die uns gestern durch Ihre Vermittelung zugegangene
Nachricht von dem Tode Minutoli's") ist mir, da er jedenfalls
ein Opfer seines Diensteifers, wenn auch eines übertriebenen
geworden, sehr schmerzlich. Für seine zahlreiche Familie und
seine alte 82jährige Mutter ist es ein schwerer Schlag.
Verzeihen Sie, verehrter Freund, die Flüchtigkeit und
) Ehemaliger Polizeipräsident von Berlin, damals preußischer
Gesandter in Teheran; er starb am 5. Nov. auf einer Reise durch das
südliche Perfien.
1860
25. 12.