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1868 Ich kann sie Ihnen nicht erleichtern, denn ich befinde mich
80. 6. allerdings in prinzipiellem Gegensatz zu demselben.
Loyale Handhabung der Gesetze und Verfassung, Achtung
und Wohlwollen gegen ein leicht zu führendes, intelligentes und
tüchtiges Volk — das sind die Prinzipien, von denen meiner
Meinung nach jede Regierung in ihrem Verfahren gegen das
Land geleitet sein muß. Ich vermag die in der Verordnung
vom 1. Juni cr. ausgeprägte Politik mit diesen Prinzipien
nicht in Einklang zu bringen.
Sie suchen mir zwar die Verfassungsmäßigkeit jenes Er-
lasses nachzuweisen und Sie versichern, Sie und Ihre Collegen
seien Ihrer Eide eingedenk. Ich aber meine, daß eine Regierung
ein stärkeres Fundament bedürfe als mindestens höchst zweifel-
hafte Auslegungen, die dem gesunden Menschenverstande des
Volkes nicht einleuchten. Sie selbst berufen sich darauf, daß
auch Ihre Gegner die Ehrlichkeit Ihrer Ueberzeugungen achten.
Ich lasse diese Behauptung unerörtert ), aber wenn Sie dem
Urtheil Ihrer Gegner einigen Werth beimessen, so müßte doch
der Umstand Ihnen Bedenken einflößen, daß die entschiedene
Mehrheit der gebildeten Klassen unseres Volks die Verfassungs-
mäßigkeit des Inhalts der fraglichen Verordnung verneint.
Daß dies geschehen würde, wußte das Ministerium vorher.
Es wußte ebenso vorher, daß der Landtag den Inhalt jenes
Erlasses niemals vorher genehmigt haben würde, machte dem
Landtage keine Vorlage, schloß ihn, und publizirte wenige Tage
darauf die Verordnung auf Grund von Artikel 63 der Ver-
fassung.
Wenn das Land in diesem Verfahren eine loyale Hand-
habung der Verfassung nicht erkennt, so möchte ich fragen, was
hat das Ministerium gethan, um die öffentliche Meinung zu
seiner Ansicht zu bekehren? Es hat kein anderes Mittel ge-
sunden, sich mit der öffentlichen Meinung auseinanderzusetzen
als ihr Schweigen aufzuerlegen.