— 407 —
239.
Heinrich VII. Prinz Reuß an Bismarck.
St. Petersburg, d. 28. Mai 67.
Verehrtester Chef,
In meinen offiziellen Berichten habe ich nicht erwähnt, 1867
mit welch regem Interesse die Großfürstin Helene der letzten 28.5.
politischen Phase gefolgt ist und wie sie es sich hat angelegen
sein lassen, ihren Einfluß in der ihr eigenen Weise zu unseren
Gunsten anzuwenden.
Sie machte sich von Anfang an keine Illusionen über die
wenig freandlichen Absichten des französischen Cabinets und
traut dem Frieden auch heut noch nicht sonderlich. Die Idee
der Reise des Kaisers?) hat sie nie gut geheißen und ließ sie nur
gelten, wenn die beiden Herren gleichzeitig reisen würden. Sie
war außer sich, als die Reise des Königs compromittirt schien,
und ich glaube, daß sie den Kaiser darin bestärkt hat, so ent-
schieden auf die gleichzeitige Anwesenheit unseres Allergnädigsten
Herrn zu bestehen, wie er es, wohl auch aus eigenem Antriebe
gethan hat. Daher war sie auch heute sehr erfreut, als ich
ihr erzählen konnte, daß sich der König entschlossen hätte, am
5. in Paris zu sein.
Ich komme nicht auf die vielen Wandlungen zurück, welche
Fürst Gortschakow in dieser ganzen Zeit durchgemacht hatz ich
glaube, ich habe sie in meinen Berichten getreu wiedergegeben.
Jedenfalls glaube ich, daß er es jetzt zuletzt ganz aufrichtig
wünschte, daß der Kaiser nicht ohne unseren König in Paris
erschiene. Es war ihm wirklich bange vor einem Erkalten
unserer Beziehungen, und diese Eventualität befürchtete er sehr
für seine orientalische Politik, besonders da alle andern an-
*) Nach Paris zur Weltausstellung.