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Bismarck an Minister v. Pfretzschner.
Varzin 27 August 1875.
Geehrter Herr College
1875 Auf Ihr gefälliges Schreiben bezüglich des diplomatischen
2. S. Ausschusses beehre ich mich in derselben privativen Form und vor-
behaltlich mündlicher Besprechung einstweilen zu erwidern, daß
ich gern jeder Entwicklung unserer gemeinsamen Institutionen
förderlich sein werde, welche den Wünschen der hohen Regirungen
und den nationalen Interessen entspricht. In dieser Richtung
würde ich auch der Frage des diplomatischen Ausschusses bereit-
willig näher treten, sobald sich Gelegenheit bietet, dieselbe mit
Eurer Excellenz und andern Collegen vertraulich und mündlich zu
erörtern. Die Schwierigkeiten, welche dabei zur Sprache kommen,
sind von der Natur, daß ich schriftliche und zu weiterer Be-
sprechung geeignete Vorschläge meinerseits nicht machen kann.
Daß die Frage auf dem bayrischen Landtage von Seiten
der Gegner der Regirung mit Erfolg wird ausgebeutet werden
können, glaube ich kaum. Die Herrn, welche sie anregten,
würden ihren nationalen Gegnern einen günstigen Kampfplatz
eröffnen. Dieselben würden geltend machen, daß Art. 8 der
Verfassung dem Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten
keine andre Aufgabe stellt, als den anderen Ausschüssen, d. h.
die der Berichterstattung, welche der Bundesrath über die aus
dem Geschäftskreise des Ausschusses an ihn gelangenden Vor-
lagen und Anträge erfordert. Diese Aufgabe tritt in ihrer
vollen Wichtigkeit zu Tage, wenn der Fall des Art. 11, Alin. 2
eintritt, der bisher glücklicherweise nicht vorgelegen hat?); sie
kann auch in Folge der Alin. 3 Art. 11 an den Ausschuß
herantreten, es sind aber bisher Verträge mit dem Auslande
*)Kriegserklärung ohne vorausgegangenen feindlichen Angriff.