Gagern und Auerswald. Mangelnde Kriegsbereitschaft Preußens. 79
bar war. Nachdem ich den Widerstand des alten Portiers
überwunden hatte und vorgelassen war, gab ich meiner durch
die Einberufung und den Ton der Oestreicher etwas erregten
kriegerischen Stimmung Ausdruck. Der Minister, ein alter,
schneidiger Soldat, dessen moralischer und physischer Tapferkeit
ich sicher war, sagte mir in der Hauptsache Folgendes:
„Wir müssen für den Augenblick den Bruch nach Möglich-
keit vermeiden. Wir haben keine Macht, welche hinreichte,
die Oestreicher, auch wenn sie ohne sächsische Unterstützung bei
uns einbrechen, aufzuhalten. Wir müssen ihnen Berlin preis-
geben und in zwei Centren außerhalb der Hauptstadt, etwa in
Danzig und in Westfalen, mobilisiren; vorwärts Berlin können
wir erst in 14 Tagen etwa 70000 Mann haben, und auch die
würden nicht reichen gegen die Streitkräfte, die Oestreich jetzt
schon gegen uns in Bereitschaft hat.“ Es sei, fuhr er fort,
vor Allem nöthig, wenn wir schlagen wollten, Zeit zu ge-
winnen, und deshalb zu wünschen, daß die bevorstehenden Ver-
handlungen im Abgeordnetenhause nicht den Bruch beschleu-
nigten durch Erörterungen und Beschlüsse, wie man sich deren
nach den herrschenden Stimmen in der Presse versehn müsse.
Er bäte mich daher, in Berlin zu bleiben und auf die bereits
anwesenden und nächstens eintreffenden befreundeten Abgeord-
neten vertraulich im Sinne der Mäßigung einzuwirken. Er
klagte über die Verzettlung der Stämme, die in ihrer Friedens-
formation ausgerückt und verwendet wären und sich nun fern
von ihren Ersatzbezirken und Zeughäusern befänden, theils im
Inlande, zum großen Theil aber im Südwesten Deutschlands,
also in Oertlichkeiten, wo eine schleunige Mobilmachung auf
Kriegsfuß sich schwer ausführen lasse 7.
Die badischen Truppen hatte man damals auf wenig gang-
1) Vgl. die Reichstagsrede Bismarck's vom 24. Januar 1882, Poli-
tische Reden IX 234; diese Mittheilungen geben den Schlüssel zum rich-
tigen Verständniß der Rede vom 3. December 1850.