98 Viertes Kapitel: Diplomat.
gewesen ). Die gewisse Bestätigung meiner alten und starken
Hoffnung, daß Ew. Majestät, er und ich vollkommen einig in
der Wahrheit sind: daß unfre dreifache, unerschütterliche, gläu-
bige und thatkräftige Eintracht allein Europa und das un-
artige und doch so geliebte Teutsche Vaterland aus der jetzigen
Krise retten könne, erfüllt mich mit Dank gegen Gott und
steigert meine alte treue Liebe zu Ew. Moajestät. Bewahren
auch Sie, mein theuerster Freund, mir Ihre Liebe aus den
fabelhaften Tagen von Tegernsee, und stärken Sie Ihr Ver-
trauen und Ihre so wichtige und so mächtige, dem gemeinsamen
Vaterlande so unentbehrliche Freundschaft zu mir! Dieser
Freundschaft empfehle ich mich aus der Tiefe meines Herzens,
allertheuerster Freund, als Ew. Kaiserlichen Majestät treu und
innigst ergebenster Onkel, Bruder und Freund.
Sans-souci, 5. Juni 1852.“
Ich fand in Wien?) das „einsylbige“ Ministerium Buol,
Bach, Bruck 2c., keine Preußenfreunde, aber liebenswürdig für
mich in dem Glauben an meine Empfänglichkeit für hohes
Wohlwollen und meine Gegenleistung dafür auf geschäftlichem
Gebiete. Ich wurde äußerlich ehrenvoller, als ich erwarten
konnte, ausgenommen; aber geschäftlich, d. h. bezüglich der Zoll-
sachen, blieb meine Mission erfolglos. Oestreich hatte schon
damals die Zolleinigung mit uns im Auge, und ich hielt es
weder damals noch später für rathsam, diesem Streben ent-
gegenzukommen ). Zu den nothwendigen Unterlagen einer
Zollgemeinschaft gehört ein gewisser Grad von Gleichartigkeit
des Verbrauchs; schon die Unterschiede der Interessen innerhalb
des deutschen Zollvereins zwischen Nord und Süd, Ost und
West sind schwer und nur mit dem guten Willen zu über-
1) Zar Nicolaus war vom 16.—20. Mai 1852 in Berlin, ogl. Gerlach,
Denkwürdigkeiten Bd. I, 764 ff.
2) Bismarck traf am 8. Juni Abends dort ein.
2) Vgl. u. S. 397.