162 Siebentes Kapitel: Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin.
Ansehn hat, wird von dem Fractionsführer, welcher gewöhnlich
der schlagfertigere Redner ist, sehr leicht in einer Weise abge-
führt, welche ihm für die Zukunft die Lust zur Auflehnung
benimmt, wenn er nicht mit einem Mangel an Schüchternheit
begabt ist, der bei uns grade in den Klassen, denen die Con-
servativen meistens angehören, nicht häufig ist.
Ich fand unfre damals zahlreiche, ich glaube über 100 Köpfe
starke Fraction unter dem Banne der von den Führern fest-
gelegten politischen Sätze. Ich selbst hatte mich, seit ich mich
in Frankfurt auf der Defensive gegen Oestreich, also auf einem
von der Fractionsleitung nicht gebilligten Wege befand, von
derselben einigermaßen emancipirt, und obschon in dieser Frage
unser Verhältniß zu Oestreich nicht im Spiele war, so hatte
die Meinungsverschiedenheit über dieses Verhältniß meinen
Glauben an die Fractionsleitung überhaupt erschüttert. In-
dessen überraschte mich doch die sofortige Wirkung, welche mein
Plaidoyer nicht sowohl für die vorliegende Auffassung des
Königs als für das Zusammenhalten mit ihm hatte. Die
Fractionsleitung blieb bei der Abstimmung isolirt; fast die
gesammte Fraction war bereit, dem Könige auf seinem Wege
zu folgen.
Wenn ich heut auf diese Vorgänge zurückblicke, so scheint
es mir, daß die drei oder sechs Führer, gegen welche ich die
conservative Fraction aufwiegelte, im Grunde dem Könige
gegenüber Recht hatten. Die erste Kammer war zur Lösung
der Aufgaben, welche einer solchen im constitutionellen Leben
zufallen, befähigter als das heutige Herrnhaus. Sie genoß
in der Bevölkerung eines Ansehns, welches das Herrnhaus
sich bisher nicht erworben hat. Das letztre hat zu einer her-
vorragenden politischen Leistung nur in der Conflictszeit Ge-
legenheit gehabt und sich damals durch die furchtlose Treue,
mit der es zur Monarchie stand, auf dem defensiven Gebiete
der Aufgabe eines Oberhauses völlig gewachsen gezeigt. Es