168 Siebentes Kapitel: Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin.
kundete Stimmung des Königs zeigte sich auch in dem Empfang
des Grafen Benckendorf, der mit Briefen und mündlichen Auf-
trägen in Putbus eintraf, und den ich mit der Nachricht hatte
Datums vom 14. Sept. Die Note des Grafen Buol vom 10. August 1854
ist an Rußland gerichtet (s. Jasmund, Aktenstücke Bd. I S. 243 ff.
No. CCXLIX), die Note des Grafen Buol vom 14. September an die
kaiserlichen Gesandten in Deutschland (s. Jasmund, Aktenstücke Bd. I
359 ff. No. CCLVII); auf die letztere antwortete die preußische Regirung
mit einer Depesche vom 21. September (Jasmund, Aktenstücke Bd. I
363 ff. No. CCLIX). Diesem letzteren Notenwechsel war eine Note der
preußischen Regirung an den preußischen Gesandten zu Wien nebst einem
von da aus zu versendenden Rundschreiben an die deutschen Regi-
rungen vom 3. September 1854 vorausgegangen (Jasmund, Aktenstücke
Bd. 1 S. 354 ff. No. CCLIV), das zu Rügen am 30. August (vgl. Gerlach,
Denkwürdigkeiten II 209) berathen wurde. — Bismarck verweilte auf
Rügen vom 30. August bis 1. September; vom 16.—20. September hielt
er sich auf der Rückreise nach Frankfurt in Berlin auf. Dort — nicht
auf Rügen — verfaßte er nach Gerlach's Denkwürdigkeiten auf Wunsch
Manteuffels die vom 21. September datirte und in Jasmund, Akten-
stücke Bd. I 363 No. CCLVIII abgedruckte Note als Antwort auf die
östreichische Note vom 14. September.
Nach zwei Briefen Bismarck's an Wentzel vom 3. und 9. September
1854 (Bismarck-Jahrbuch V 11 und 12) hatte man sich auf Rügen ent-
schlossen, Oestreich nur beizustehn, wenn es von Rußland angegriffen
würde, ohne daß es angefangen habe, auch beschlossen, dies durch Rund-
schreiben ausdrücklich kund zuthun. Diese Absicht aber, „sich unumwunden
zu erklären: Beistand gegen unprovocirten Angrif,s, sonst nichts zu
gewähren“, ist in dem Rundschreiben nicht erfüllt worden. Sein Tenor
ist wesentlich herabgestimmt: statt der unumwundenen Erklärung
an Oestreich lesen wir eine Ermahnung, nicht aggressiv zu werden,
nicht unzweideutige Absage für den Fall der Provocation Rußlands.
Die beiden Briefe Bismarck's an Wentzel sind in der Zeit nach
Bismarck's Abreise von Rügen und vor seinem Aufenthalte in Berlin
geschrieben; Bismarck wußte von den weiteren Vorgängen am könig-
lichen Hofe noch nichts. In der Abhandlung von A. Eigenbrodt, Friedrich
Wilhelm IV. und Bismarck während des Krimkriegs (in Eigenbrodt, Otto
v. Bismarck. Streiszüge, Betrachtungen und Untersuchungen, Leipzig 1912)
wird aus den beiden Briefen, verglichen mit dem Texte des Rund-
schreibens vom 3. September 1854, gefolgert, daß man zu Rügen von
dem während Bismarck's Anwesenheit beschlossenen Standpunkte wirklich
abrückte. Da der Inhalt des Rundschreibens nachweislich zu Rügen