Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Briefwechsel mit Gerlach über Legitimität und Bonapartismus. 185 
beide zu unserm Nachtheil benutzt, wird man diese unfre Ge- 
müthlichkeit ohne Furcht und ohne Dank benutzen. Ich ver- 
lange ja garnicht, daß wir mit Frankreich ein Bündniß schließen 
und gegen Deutschland conspiriren sollen; aber ist es nicht 
vernünftiger, mit den Franzosen, so lange sie uns in Ruhe 
lassen, auf freundlichem als auf kühlem Fuße zu stehn? Ich 
will nichts weiter, als andern Leuten den Glauben benehmen, 
sie könnten sich verbrüdern, mit wem sie wollten, aber wir 
würden eher Riemen aus unfrer Haut schneiden lassen, als 
dieselbe mit französischer Hülfe vertheidigen. Höflichkeit ist eine 
wohlfeile Münze; und wenn sie auch nur dahin führt, daß die 
Andern nicht mehr glauben, Frankreichs seien sie gegen uns 
immer sicher und wir jeder Zeit hülfsbedürftig gegen Frank- 
reich, so ist das für Friedensdiplomatie ein großer Gewinn; 
wenn wir diese Hülfsmittel verschmähn, sogar das Gegentheil 
thun, so weiß ich nicht, warum wir nicht lieber die Kosten der 
Diplomatie sparen oder reduciren, denn diese Kaste vermag 
mit allen Arbeiten nicht zu Wege zu bringen, was der König 
mit geringer Mühe kann, nämlich Preußen eine angesehne 
Stellung im Frieden durch den Anschein von freundlichen Be- 
ziehungen und möglichen Verbindungen wiederzugeben. Nicht 
minder vermag Se. Mojestät durch ein Schautragen kühler 
Verhältnisse leicht alle Arbeit der Diplomaten zu lähmen; denn 
was soll ich hier oder einer unfrer andern Gesandten durch- 
setzen, wenn wir den Eindruck machen, ohne Freunde zu sein 
oder auf Oestreichs Freundschaft zu rechnen. Man muß nach 
Berlin kommen, um nicht ausgelacht zu werden, wenn man 
von Oestreichs Unterstützung in irgend einer für uns erheb- 
lichen Frage sprechen will. Und selbst in Berlin kenne ich 
doch nachgrade nur einen sehr kleinen Kreis, bei dem das Ge- 
fühl der Bitterkeit nicht durchbräche, sobald von unfrer aus- 
wärtigen Politik die Rede ist. Unser Recept für alle Uebel 
ist, uns an die Brust des Grafen Buol zu werfen und ihm
	        
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