188 Achtes Kapitel: Besuch in Paris.
daß wir uns mit Frankreich nicht schlecht stehn, daß man auf
unsre Beistandsbedürftigkeit gegen Frankreich nicht zählen und
uns deßhalb drücken darf und daß uns, wenn man unwürdig
mit uns umgehn will, alle Bündnisse offen stehn. Wenn ich
nun melde, daß diese Vortheile gegen Höflichkeit und gegen
den Schein der Reciprocität zu haben sind, so erwarte ich, daß
man mir entweder nachweist, es seien keine Vortheile, es ent-
spreche vielmehr unsern Interessen besser, wenn fremde und
deutsche Höfe berechtigt sind, von der Annahme auszugehn,
daß wir gegen Westen unter allen Umständen feindlich gerüstet
sein müssen und Bündnisse, eventuell Hülfe, dagegen bedürfen,
und wenn sie diese Annahme als Bafis ihrer gegen uns ge-
richteten politischen Operationen ausbeuten. Oder ich erwarte,
daß man andre Pläne und Absichten hat, in deren Combination
der Anschein eines guten Vernehmens mit Frankreich nicht
paßt. Ich weiß nicht, ob die Regirung einen Plan hat (den
ich nicht kenne), ich glaube es nicht; wenn man aber diplo-
matische Annäherungen einer großen Macht nur deßhalb von
sich abhält und die politischen Beziehungen zweier großen
Mächte nur danach regelt, ob man Antipathien oder Sympa=
thien für Zustände und Personen hat, die man doch nicht
ändern kann und will, so drücke ich mich mit Zurückhaltung
aus, wenn ich sage: Ich habe dafür kein Verständniß als Di-
plomat und finde mit der Annahme eines solchen Systems in
auswärtigen Beziehungen das ganze Gewerbe der Diplomatie
bis auf das Consularwesen hinunter überflüssig und thatsächlich
cassirt. Sie sagen mir, „der Mann ist unser natürlicher Feind,
und daß er es ist und bleiben muß, wird sich bald zeigen“; ich
könnte das bestreiten oder mit demselben Rechte sagen: „Oest-
reich, England sind unfre Feinde, und daß sie es sind, zeigt
sich schon längst, bei Oestreich natürlicher, bei England un-
natürlicher Weise.“ Aber ich will das auf sich beruhn lassen
und annehmen, Ihr Satz wäre richtig, so kann ich es auch