Briefwechsel mit Gerlach über Legitimität und Bonapartismus. 189
dann noch nicht für politisch halten, unsre Befürchtungen schon
im Frieden von andern und von Frankreich selbst erkennen zu
lassen, sondern finde es, bis der von Ihnen vorhergesehne
Bruch wirklich eintritt, immer noch nützlich, die Leute glauben
zu lassen, daß ein Krieg gegen Frankreich uns nicht noth-
wendig über kurz oder lang bevorsteht, daß er wenigstens nichts
von Preußens Lage Unzertrennliches, daß die Spannung gegen
Frankreich nicht ein organischer Fehler, eine angeborne schwache
Seite unfrer Natur ist, auf die jeder Andre mit Sicherheit
speculiren kann. Sobald man uns für kühl mit Frankreich
hält, wird auch der Bundescollege hier kühl für mich
v. B.“
Gerlach antwortete wie folgt 9:
„Berlin, 6. Mai 1857.
Ihr Brief vom 2. hat auf der einen Seite mir eine große
Freude gemacht, da ich daraus sehe, daß es Ihnen am Herzen
liegt, mit mir in Einigkeit zu bleiben oder zu kommen, woraus
sich die meisten Menschen wenig machen, auf der andern Seite
aber auch zum Widerspruch und zur eignen Rechtfertigung auf-
gefordert.
Zunächst bilde ich mir ein, doch immer noch im innersten
Grunde mit Ihnen einig zu sein. Wäre das nicht der Fall,
so würde ich mich auf eine gründliche Widerlegung nicht ein-
lassen, indem eine solche doch zu nichts führen könnte. Haben
Sie das Bedürfniß, mit mir principiell nicht auseinander zu
gehen, so liegt es uns doch zunächst ob, dieses Princip auf-
zusuchen und sich nicht an Negationen zu halten, wie z. B.
„Ignoriren von Realitäten“, „Ausschließen von Frankreich aus
den politischen Combinationen“. Ebensowenig dürften wir das
gemeinschaftliche Princip in dem preußischen Patriotismus“",
in der Schädlichkeit und Nützlichkeit für Preußen“, „in dem
1) Briefe Gerlach's 2c. S. 208 ff.