204 Achtes Kapitel: Besuch in Paris.
die Saat derselben; ich will ihn damit durchaus nicht außerhalb
des Gebietes der revolutionären Erscheinungen stellen, sondern
ihn nur frei von den Zuthaten zur Anschauung bringen, welche
seinem Wesen nicht nothwendig eigen sind. Zu solchen rechne
ich ferner die ungerechten Kriege und Eroberungen. Diese
sind kein eigenthümliches Attribut der Familie Bonaparte oder
des nach ihr benannten Regirungssystems. Legitime Erben
alter Throne können das auch. Ludwig XIV. hat nach seinen
Kräften nicht weniger heidnisch in Deutschland gewirthschaftet
als Napoleon, und wenn letztrer mit seinen Anlagen und Nei-
gungen als Sohn Ludwig's XVI. geboren wäre, so hätte er
uns vermuthlich auch das Leben sauer genug gemacht.
Der Trieb zum Erobern ist England, Nordamerika, Ruß-
land und Andern nicht minder eigen als dem Napoleonischen
Frankreich, und sobald Macht und Gelegenheit dazu sich finden,
ist es auch bei der legitimsten Monarchie schwerlich die Be-
scheidenheit oder die Gerechtigkeitsliebe, welche ihm Schranken
setzt. Bei Napoleon III. scheint er als Instinct nicht zu domi-
niren; derselbe ist kein Feldherr, und im großen Kriege, mit
großen Erfolgen oder Gefahren könnte es kaum fehlen, daß
die Blicke der französischen Armee, der Trägerin seiner Herr-
schaft, sich mehr auf einen glücklichen General als auf den
Kaiser richteten. Er wird daher den Krieg nur dann suchen,
wenn er sich durch innre Gefahren dazu genöthigt glaubt.
Eine solche Nöthigung würde aber für den legitimen König
von Frankreich, wenn er jetzt zur Regirung käme, von Hause
aus vorhanden sein.
Weder die Erinnrung an die Eroberungssucht des
Onkels noch die Thatsache des ungerechten Ursprungs
seiner Macht berechtigt mich also, den gegenwärtigen Kaiser
der Franzosen als den ausschließlichen Repräsentanten der Re-
volution, als vorzugsweises Object des Kampfes gegen dieselbe
zu betrachten. Den zweiten Makel theilt er mit vielen be-