268 Zehntes Kapitel: Petersburg.
Jagdausflug nach Schweden im Jahre 1857 durch einen Sturz
vom Felsen beschädigt hatte 1) und das infolge unvorsichtiger
Behandlung der locus minoris resistentiae) geworden war,
ein geringfügiger Schmerz fühlbar machte. Der durch die
frühere Großherzogin von Baden?) mir bei der Abreise emp-
sohlne Dr. Walz erbot sich, mir ein Mittel dagegen zu ver-
schreiben, und begegnete meiner Erklärung, ich fühle kein Be-
dürfniß etwas anzuwenden, da der Schmerz gering sei, mit
der Versichrung, die Sache könne auf der Reise schlimmer
werden und es sei rathsam, vorzubeugen. Das Mittel sei ein
ganz leichtes; er werde mir ein Pflaster in die Kniekehle legen,
welches in keiner Weise belästige, nach einigen Tagen von selbst
abfallen und nur eine Röthe hinterlassen werde. Mit der
Vorgeschichte dieses aus Heidelberg") stammenden Arztes noch
unbekannt, gab ich leider seinem Zureden nach. Vier Stunden,
nachdem ich das Pflaster aufgelegt und fest geschlafen hatte,
wachte ich über heftige Schmerzen auf, riß das Pflaster ab,
ohne seine Bestandtheile von der schon wund gefressenen Knie-
kehle entsernen zu können. Walz kam einige Stunden später
und versuchte mit irgend einer metallischen Klinge die schwarze
Pflastermasse aus der handgroßen Wunde durch Schaben zu
entsernen. Der Schmerz war unerträglich und der Erfolg
unvollkommen, die corrosive ) Wirkung des Gifts dauerte fort.
Ich wurde mir über die Unwissenheit und Gewissenlosigkeit
meines Arzies klar trotz der hohen Empfehlung, die mich be-
stimmt hatte, ihn zu wählen. Er selbst versicherte mit ent-
schuldigendem Lächeln, die Salbe sei wohl etwas zu stark ge-
1) S. o. S. 223.
:) Der Ort geringeren Widerstandes.
") Stephanie, Gemalin des Großherzogs Karl Ludwig Friedrich
von Baden.
1) Lies: Karlsruhe.
4) Fressende.