Unterredung mit Napoleon über ein französisch-preußisch. Bündniß. 293
trauns annähme und für schwierige Lagen auf einander zu
rechnen lernte, wurde von dem Kaiser weiter ausgesponnen.
Dann plötzlich stehen bleibend, sagte er:
„Sie können Sich nicht vorstellen, quelles singulières ouver-
tures m’'e fait faire I’Autriche, il J a peu de jours ). Es scheint,
daß das Zusammentreffen Ihrer Ernennung und der Ankunft
des Herrn von Budberg in Paris einen panischen Schrecken in
Wien erzeugt hat. Der Fürst Metternich hat mir gesagt, er
habe Instructionen erhalten, die so weit gingen, daß er selbst
darüber erschrocken sei; er habe unbegrenzte Vollmachten, wie
sie je ein Souverain seinem Vertreter anvertraut, in Betreff
aller und jeder Frage, die ich anregen würde, sich mit mir um
jeden Preis zu verständigen. Ich wurde durch diese Eröffnung
in einige Verlegenheit gesetzt, denn abgesehn von der Unver-
träglichkeit der Interessen beider Staaten habe ich eine fast
abergläubische Abneigung dagegen, mich mit den Geschicken
Oestreichs zu verflechten“2).
Ganz aus der Luft gegriffen konnten diese Auslassungen des
Kaisers nicht sein, wenn er auch erwarten durfte, daß ich meine
1) Welche eigenthümlichen Eröffnungen mir Oestreich vor wenigen
Tagen hat machen lassen.
2) Man vergleiche damit den fast wörtlich übereinstimmenden Be-
richt vom 28. Juni 1862 an Bernstorff, der dem Fürsten Bismarck bei
der Aufzeichnung seiner Erinnerungen weder im Original noch
in einem Concept vorgelegen hat. Bismarck-Jahrbuch VI 152 ff. —
Ich habe wegen des Glaubens an die Gedächtnißkraft des Fürsten Bis-
marck, den ich durch Hinweis auf die wunderbare Thatsache der fast
wörtlichen Uebereinstimmung des amtlichen Berichts mit der Darstellung
des Vorgangs in den „Gedanken und Erinnerungen“ bekundete, von
den Kritikern des nachgelassenen Werkes harte Vorwürfe mir gefallen
lassen müssen. Ich muß, was ich im „Wegweiser“ darüber gesagt habe,
aufrecht erhalten. In dem gesammten Nachlaß des Fürsten ist keine
Spur einer Abschrift des Berichts an Bernstorff oder eine Aufzeich-
nung über den Verlauf der Unterredung gefunden worden. Der Fürst
selbst hat mir bestätigt, daß er sich des ganzen Gespräches mit allen
seinen Wendungen noch völlig erinnere.