320 Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
Gerechtigkeit zu vertheilen sei. Rein menschlich gesprochen, wird
sie in der Hauptsache auf dem Könige selbst beruhn bleiben,
denn er hat überlegne, ihn und die Geschäfte leitende Rath-
geber zu keiner Zeit gehabt. Er behielt sich die Auswahl unter
den Rathschlägen nicht nur jedes einzelnen Ministers, sondern
auch unter den viel zahlreichern vor, die ihm von mehr oder
weniger geistreichen Adjutanten, Cabinetsräthen, Gelehrten, un-
ehrlichen Strebern, ehrlichen Phantasten und Höflingen vorge-
tragen wurden. Und diese Auswahl behielt er sich oft lange
vor. Es ist oft weniger schädlich, etwas Unrichtiges als nichts
zu thun. Ich habe nie den Muth gehabt, die Gelegenheiten,
die mir dieser persönlich so liebenswürdige Herr mehrmals,
zuweilen scharf und beinahe zwingend, in den Jahren 1852
bis 1856 geboten hat, sein Minister zu werden, zu benutzen
oder ihre Verwirklichung zu fördern ). Wie er mich betrachtete,
hätte ich ihm gegenüber keine Autorität gehabt, und seine reiche
Phantasie war flügellahm, sobald sie sich auf dem Gebiete
praktischer Entschlüsse geltend machen sollte. Mir fehlte die
schmiegsame Gefügigkeit zur Uebernahme und ministeriellen
Vertretung von politischen Richtungen, an die ich nicht glaubte,
oder für deren Durchführung ich dem Könige den Entschluß
und die Consequenz nicht zutraute. Er unterhielt und förderte
die Elemente des Zwiespalts zwischen seinen einzelnen Mi-
nistern; die Frictionen zwischen Manteuffel, Bodelschwingh
und Heydt, die in triangularem Kampfe mit einander standen,
waren dem Könige angenehm und ein politisches Hülfsmittel
in kleinen Detail-Gefechten zwischen königlichem und ministe-
riellem Einfluß. Manteuffel hat mit vollem Bewußtsein die
Camarilla-Thätigkeit von Gerlach, Rauch, Niebuhr, Bunsen,
Edwin Manteuffel geduldet; er trieb seine Politik mehr defensiv
als im Hinblick auf bestimmte Ziele, sortwurstelnd, wie Graf
) S. o. S. 101. 158. 218 f.