Vater und Mutter. Bismarck weder „Junker“ noch „Absolutist“. 17
hergehenden Generationen nach Preußen in den auswärtigen
und den Hofdienst gerathen war. Der Freiherr vom Stein
hat meinen Großvater Mencken als einen ehrlichen, stark libe-
ralen Beamten bezeichnet. Unter diesen Umständen waren die
Auffassungen, die ich mit der Muttermilch einsog, eher liberal
als reactionär, und meine Mutter würde, wenn sie meine
ministerielle Thätigkeit erlebt hätte, mit der Richtung derselben
kaum einverstanden gewesen sein, wenn sie auch an den äußern
Erfolgen meiner amtlichen Laufbahn große Freude empfunden
haben würde. Sie war in bürokratischen und Hofkreisen groß
geworden; Friedrich Wilhelm IV. sprach von ihr als „Mien-
chen“ im Andenken an Kinderspiele. Ich darf es darnach für
eine ungerechte Einschätzung meiner Auffassung in jüngern
Jahren erklären, wenn mir „die Vorurtheile meines Standes“
angeheftet werden und behauptet wird, daß die Erinnrung an
Bevorrechtigung des Adels der Ausgangspunkt meiner innern
Politik gewesen wäre.
Auch die unumschränkte Autorität der alten preußischen
Königsmacht war und ist nicht das letzte Wort meiner Ueber-
zeugung. Für letztre war allerdings auf dem Ersten Ver-
einigten Landtage diese Autorität des Monarchen staatsrechtlich
vorhanden, aber mit dem Wunsche und dem Zukunftsgedanken,
daß die unumschränkte Macht des Königs selber ohne Ueber-
stürzung das Maß ihrer Beschränkung zu bestimmen habe.
Der Absolutismus bedarf in erster Linie Unparteilichkeit, Ehr-
lichkeit, Pflichttreue, Arbeitskraft und innre Demuth des Re-
girenden; sind sie vorhanden, so werden doch männliche oder
weibliche Günstlinge, im besten Falle die legitime Frau, die
eigne Eitelkeit und Empfänglichkeit für Schmeicheleien dem
Staate die Früchte des Königlichen Wohlwollens verkürzen,
da der Monarch nicht allwissend ist und nicht für alle Zweige
seiner Aufgabe gleiches Verständniß haben kann. Ich bin schon
1847 dafür gewesen, daß die Möglichkeit öffentlicher Kritik der
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 2